Außenminister will Ausstieg Österreichs umsetzen
Nachdem eine Parlamentsmehrheit den Ausstieg Österreichs aus dem umstrittenen König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) gefordert hat, hat das Außenministerium zugesichert, den entsprechenden Entschließungsantrag des Nationalrats umzusetzen. Außenminister Alexander Schallenberg habe "bereits die Prüfung aller rechtlich notwendigen Schritte beauftragt". "Er wird dafür Sorge tragen, dass die Umsetzung ohne Schaden für Österreichs außenpolitische Interessen und im Rahmen der internationalen Gepflogenheiten erfolgt", teilte das Außenministerium der APA mit. Österreich ist neben Spanien und Saudi-Arabien eines der drei Gründungsmitglieder des KAICIID. Das internationale Dialogzentrum hat seinen Sitz in Wien.
Dem Entschließungsantrag der Liste JETZT für einen Ausstieg Österreichs aus dem Zentrum und die Kündigung des Amtssitzabkommens hatten sich am Mittwoch SPÖ und FPÖ angeschlossen. Die ÖVP trug den Antrag nicht mit, forderte aber kurz darauf in einem eigenen Antrag die Einleitung von Schritten zur Schließung. Der vom JETZT-Abgeordneten Peter Pilz vorgebrachte Anlassfall ist die drohende Hinrichtung eines 18-Jährigen in Saudi-Arabien, der wegen Teilnahme an einer Demonstration für Menschenrechte seit fünf Jahren in Haft sitzt. Ihm wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.
Der außenpolitische Sprecher der ÖVP, Reinhold Lopatka, erklärte in einer Aussendung, dass auch die Volkspartei die Schließung des Zentrums befürworte. "Mit einem eigenen Antrag wollen wir aber die Fortführung des interkulturellen Dialogs sicherstellen - und zwar mit der Einrichtung eines neuen Zentrums mit Sitz in Österreich, das optimalerweise unter der Obhut der UNO stehen sollte", so Lopatka. Saudi-Arabien sei zudem dringend gefordert, "die Menschenrechte zu achten und einzuhalten! Die bevorstehende Hinrichtung von Murtaja Qureiris, der als zehnjähriger Bub an einer Menschenrechtsdemonstration teilgenommen hat, muss verhindert werden", so Lopatka.
In dem vom Nationalrat angenommenen Entschließungsantrag wird die Bundesregierung aufgefordert, sich mit "allen ihr zur Verfügung stehenden politischen und diplomatischen Mitteln" für eine Freilassung des jungen Mannes einzusetzen.
Völkerrechtliche Verträge
Das Außenministerium hatte bereits 2015 in einer Expertise darauf hingewiesen, dass ein sofortiger Ausstieg Österreichs aus dem Zentrum nicht möglich ist. Eine sofortige Schließung wäre zudem nur unter Missachtung völkerrechtlicher Verträge möglich, hieß es damals aus dem Ministerium.
Österreich kann das Dialogzentrum nicht ohne Zustimmung der beiden anderen Gründerstaaten, Saudi-Arabien und Spanien, auflösen. Der Gründungsvertrag des "König-Abdullah-Zentrums für Interkulturellen und Interreligiösen Dialog" verlangt dafür die Einstimmigkeit aller Vertragsparteien. Ihren Austritt aus dem Zentrum kann die Republik Österreich aber jederzeit deponieren und sich mit einer Frist von drei Monaten aus der Organisation zurückziehen. Auch das zwischen Österreich und dem KAICIID geschlossene Amtssitzabkommen kann einseitig gekündigt werden. Der Vertrag würde in einem solchen Fall sechs Monate später außer Kraft treten.
KAICIID verweist auf Dialog-Initiativen
Das KAICIID hat unterdessen mit Unverständnis auf die aktuelle Entwicklung reagiert. Man sei eine zwischenstaatliche Organisation, die Aktivitäten des Dialogzentrums könnten folglich nicht mit einem einzelnen Staat verknüpft werden, hielt das KAICIID in einer Pressemitteilung fest. Darin heben die Verantwortlichen des Zentrums dessen "Leistungen bei der Förderung des Dialogs weltweit" hervor. An diesen Leistungen wolle man gemessen werden.
Der internationale und interreligiöse Charakter des Zentrums manifestiere sich auf allen Ebenen - von der Zusammensetzung der Mitgliedsstaaten, des Sekretariats, des Direktoriums bis hin zu jener des Ratgeberforums. Zusammen stünden all diese Stakeholder für ein "Programm des globalen Dialogs und des kulturellen Austauschs, das religiöse Vielfalt verkörpert, insbesondere in jenen Teilen der Welt, die durch notorische Instabilität geprägt sind, wie Nigeria, Myanmar, der Zentralafrikanischen Republik oder dem Nahen Osten".
Als Einrichtung mit zwischenstaatlichem Charakter sei es dem KAICIID nicht möglich, einen bestimmten Staat zu vertreten oder die inneren Angelegenheiten eines bestimmten Staates zu kommentieren, auch wenn man das Schaffen von Räumen für interreligiösen Dialog, Meinungsbildung und politischer Gestaltung, sowie die Schaffung einer Sensibilität diesbezüglich, als Teil der eigenen Aufgabe sehe.
Wörtlich heißt es in der Aussendung weiter: "KAICIID möchte an seinen Leistungen beurteilt werden - an den vielen Menschen, die es weltweit im interreligiösen und interkulturellen Dialog ausgebildet hat, an den zahlreichen Stunden Arbeit, die es in von Instabilität geprägten Regionen für Aussöhnung und Verständigung investiert hat, an den 'Open Source' Materialien, die es zur Verfügung gestellt hat, um diese Bemühungen zu unterstützen, und schlussendlich an seinem Status als unabhängiger Mediator und Organisator, der Regierungen, zwischenstaatlichen Einrichtungen, zivilgesellschaftlichen Gruppen und NGOs dabei hilft, den interreligiösen Dialog als probates Mittel zur Erreichung von sozialer Stabilität und Wohlstand zu sehen."
Das KAICIID wurde 2011/12 von Österreich, Spanien sowie Saudi-Arabien gegründet und von den Saudis größtenteils finanziert. Die entsprechenden Abkommen, die die Etablierung des "Dialogzentrums" ermöglichten, waren 2012 vom Nationalrat abgesegnet worden. Seit seiner Gründung ist auch der Heilige Stuhl als Ständiger Beobachter in die Arbeit des Dialogzentrums strukturell eingebunden. Geleitet wird das KAICIID von einem multireligiösen Direktorium, dem Vertreter von Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Judentum angehören. Die katholische Kirche ist dabei durch Kurienbischof Miguel Ayuso vertreten. Ayuso wurde erst vor wenigen Tagen von Papst Franziskus zum Präsidenten des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog ernannt. Von orthodoxer Seite gehört dem Direktorium der Pariser griechisch-orthodoxe Metropolit Emmanuel (Adamakis) an.
Nahost-Expertin kritisch
Die Nahost-Expertin und "Standard"-Journalistin Gudrun Harrer sieht die aktuelle Entwicklung kritisch, wie sie in einer Analyse in ihrer Zeitung am Donnerstag schrieb. Darin erläuterte Harrer auch einige Hintergründe: Der Status des Zentrums als internationale Organisation sei eine "Peinlichkeit für die österreichische Diplomatie" bei der einzuleitenden Schließung, befindet Harrer: "Für Wiens Ruf als Standort internationaler Organisationen ist die ganze Geschichte kein Ruhmesblatt." Die Expertin erinnerte, dass die Rechtspraktiken in Saudi-Arabien schon zur Zeit der Gründung des Zentrums bestanden. Der Sinneswandel Österreichs sei also nicht unbedingt nachzuvollziehen.
Eine kuriose Facette der Geschichte ist, dass das KAICIID unter König Abdullah (2005-2015) der Macht in Saudi-Arabien viel näher stand, als das jetzt der Fall sei. Der seit 2015 aufgestiegene Kronprinz Mohammed bin Salman habe auf seinem Weg nach oben die Söhne des verstorbenen Königs Abdullah politisch kalt gestellt. Die Abdullah-Stiftung, aus der das Geld für das Zentrum stammt, sei jedoch unangetastet geblieben.
Mitarbeiter aus 29 Ländern
Harrer: "Unzweifelhaft hat das KAICIID gerade in Zeiten, in denen Saudi-Arabien seinen Ruf als Quelle des religiösen sunnitischen Extremismus loswerden will, einen großen PR-Wert für Riad - und mit harschen Reaktionen ist zu rechnen." Dass durch das KAICIID der saudi-arabische "Wahhabismus" verbreitet werden sollte, sei jedoch ein Missverständnis, so die Nahost-Expertin: "Die Gründung war von Abdullah, der das Treffen mit Papst Ratzinger 2007 als eines der wichtigsten in seinem Leben bezeichnete, auch als eine Art pädagogische Maßnahme nach innen gedacht."
Die Idee eines solchen Zentrums sei fast schon ein Affront gegen die ultrakonservativen Kräfte in Saudi-Arabien, führte Harrer weiter aus: "Sitzen doch im Vorstand Vertreter von Religionen, die von den Salafisten nicht einmal als solche angesehen werden, etwa Hinduisten und Buddhisten."
Im KAICIID arbeiten nach Angaben des Zentrums knapp 60 Menschen unterschiedlicher Religionen aus 29 Ländern, unter ihnen mehrere Experten auf dem Gebiet des interreligiösen und interkulturellen Dialogs. Die Hälfte von ihnen sind Frauen. Exakt vier der KAICIID-Beschäftigten kommen laut der Website des Zentrums aus Saudi-Arabien, drei aus Spanien und 16 sind österreichische Staatsbürger. (Info: www.kaiciid.org)
Quelle: kathpress