Theologin Keul: Pfingsten heute wichtiger denn je
Das Pfingstfest ist zur Antithese einer Gesellschaft geworden, "die immer mehr auf Mauern und Waffen setzt": Darauf verweist die deutsche Theologin und Religionswissenschaftlerin Hildegund Keul in einem Gastbeitrag in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche". Die Apostel sind aus ihrer Sicht nach dem Tod Jesu zu Archetypen für die Überwindung der eigenen Trauer und deren Umwandlung in Offenheit und Mut geworden. Das Pfingstfest nennt Keul ein Zeichen, dass offene Türen besser seien als Selbstschutz, der nicht genüge "um ein humanes, erfülltes Leben zu führen". Pfingsten heute zu feiern werde immer wichtiger, da der Geist, der schon die Apostel aus ihrem Versteck holte, eine überraschende Kraft sei, die "geistreiches" Handeln ermögliche, so Keul.
Als Beispiel führt die an der Universität Würzburg forschende Theologin die Aktion "#PorteOuverte" nach dem Terroranschlag in Paris im Jahr 2015 an. Mit Hilfe des Hashtags wurden via Soziale Medien sichere Schlafplätze für Menschen gesucht, die plötzlich auf der Straße strandeten. Obwohl die Gefahr bestand, dass nicht nur Betroffene des Terroranschlags, sondern gar Terroristen selbst vor der Tür stehen könnten, öffneten unzählige Privatpersonen, aber etwa auch Pariser Moscheen ihre Türen. "Sie alle reagierten auf die große Bedrohung nicht mit Abschottung, sondern mit Öffnung", fasst Keul die damalige Aktion der Zivilgesellschaft zusammen.
Auf Gewalt, Terror oder dem Verlust geliebter Menschen würden viele Menschen mit dem Ruf nach neuerlicher Gewalt, Rache oder Sicherheit reagieren. Es gebe aber noch andere Möglichkeiten, schreibt Keul in ihrem Artikel "#PorteOuverte - das Pfingstfest heute". So hätten die Apostel noch länger verstummen und sich verstecken können Sie hätten die Trauer um Jesus jedoch in etwas Positives gewandelt und sich an das letzte große Essen mit ihm erinnert. "Aus dieser gewagten Öffnung gehen Lebendigkeit, Hoffnung und Stärke hervor", so Keul.
Die deutsche Theologin zeigt aber auch Verständnis für den Wunsch nach Selbstschutz und dem Schutz der eigenen Gemeinschaft: "Niemand will verletzt werden, Schmerzen erleiden oder gar getötet werden." Vermeintliche Sicherungen würden aber eine "neue Verwundbarkeit" schaffen, die wiederum neue Dimension von Gewalt verursachen könne. Denn, so Keul, wer "ausschließlich das Ziel verfolgt, sich selbst und das Eigene zu schützen, braucht immer höhere Mauern, immer mächtigere Grenzanlagen, immer schärfere Waffen". Als Ausweg aus dem Dilemma sieht sie erneut das Vorbild der Apostel, die ihr Versteck verlassen und in die "Öffentlichkeit und Öffnung" gegangen seien.
Quelle: kathpress