Schüler-Projekt im Gedenken an NS-"Spezialkinderheim"
"Es wird Zeit, schau nicht weg. Man vergisst nicht, man verdrängt" - so lautet der Titel eines ehrgeizigen Gedenkprojektes, das Schülerinnen und Schülern am Pressbaumer Campus Sacré Coeur gestartet haben. Mit dem Projekt soll an ein lange in Vergessenheit geratenes NS-"Spezialkinderheim" der nationalsozialistischen "Kinder- und Jugendfürsorge" erinnert werden, das zwischen 1939 und 1941 als Außenstelle der Wiener Euthanasie-Anstalt "Am Spiegelgrund" auf dem Campus existierte. In dem Heim - das Haus Bethanien am Campus - waren als "schulbefreit, schulentwachsen und schwachsinnig" geltende Kinder und Jugendliche untergebracht, bevor sie schließlich in der Anstalt "Am Spiegelgrund" umgebracht wurden.
Initiiert wurde das Projekt, das am Dienstag mit einer Gedenkfeier und der Pflanzung eines "Gedenkbaumes" im Garten des ehemaligen "Spezialkinderheimes" zu einem offiziellen Abschluss kam, von Schülerinnen und Schülern der Klasse 4b der am Campus untergebrachten Bildungsanstalt und Kolleg für Elementarpädagogik (BAfEP). Im Rahmen ihres Heil- und Sonderpädagogikunterrichts sei im vergangenen Herbst u.a. über das "Bild vom Kind" gearbeitet worden und die Diskussion auf das "Spezialkinderheim" gekommen, berichteten die Schülerinnen und Schüler. Bei der Präsentation zeigten sie sich beeindruckt von den Quellenfunden, die einen Einblick in die menschenverachtende Ideologie des NS-Regimes bot. So verlasen die Jugendlichen u.a. Auszüge aus Berichten über in dem Heim untergebrachte Kinder, denen "stumpfsinniges Verhalten", eine "erbbiologisch minderwertige" Abstammung oder ein "degeneriertes Aussehen" attestiert wurde. Wörtlich hielten die Schüler bei der Gedenkfeier fest:
Als angehende Pädagogen ist unser Bild vom Kind geprägt von positiven Annahmen, von kindlichen Fähigkeiten und Potenzialen, von Achtung. Es hat uns verstört, wie selbstverständlich die Beschreibungen von Opfern des 'Spezialkinderheims' das genaue Gegenteil dessen sind: ein zutiefst negatives Menschenbild, Geringschätzung von allem, was nicht einer verworrenen 'Norm' entspricht, Verachtung.
Ziel des Projekts ist es, durch die Erinnerung an die dunkle Zeit des Nationalsozialismus und die konkrete Geschichte des "Spezialkinderheimes" in Pressbaum sowohl die Erinnerung an die Opfer wach zu halten, als auch die Bedeutung der Menschenwürde heute in den Mittelpunkt zu rücken. Das Projekt sei ihnen wichtig, "weil uns die Geschichte der Kinder berührt hat. Weil es uns als angehende Kindergartenpädagogen betrifft, wie sich das 'Bild vom Kind' in der Geschichte entwickelt hat" und "weil Hinschauen besser ist als Wegschauen", heißt es zum Projekt auf der Website der Schule.
An der Gedenkfeier nahmen u.a. der Pressbaumer Bürgermeister Josef Schmidl-Haberleitner, der niederösterreichische Bildungsdirektor Johann Heuras, der Landtagsabgeordnete Martin Michalitsch sowie der Direktor der BAfEP, Peter Brunner, teil. Brunner betonte dabei, dass das Projekt nicht zu einem Abschluss gekommen sei, vielmehr solle das Thema sowohl am Sacré Coeur als auch wissenschaftlich an der Universität Graz weiter bearbeitet werden. So sei bereits von der Grazer Historikerin Prof. Michaela Sohn-Kronthaler eine entsprechende Forschungsarbeit ausgelobt worden, um die Hintergründe und Quellen wissenschaftlich zu erschließen.
Bislang gibt es erst eine Diplomarbeit aus dem Jahr 2009 von Barbara Petrasch, die sich mit dem "Spezialkinderheim" befasst. Petraschs Recherchen zufolge bestand das Heim von März 1939 bis August 1941. Zum Ende wurden 59 Kinder aus dem Heim in die Anstalt "Am Spiegelgrund" gebracht und 56 von diesen dort getötet.
Quelle: kathpress