Neuer Ratzinger-Schülerkreis: Treffen an Hochschule Heiligenkreuz
Das Thema der Schriftauslegung bei Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. stand im Mittelpunkt der heurigen Jahrestagung des "Neuen Schülerkreises", die vom 31. Mai bis 2. Juni unter dem Titel "Wie verstehe ich die Bibel richtig? Exegese und Theologie im Kontext der Jesus-Bücher von Benedikt XVI." an der Hochschule Heiligenkreuz stattfand. Gastreferent war der Wiener Alttestamentler Prof. Ludger Schwienhorst-Schönberger. Schwienhorst-Schönberger würdigte in seinem Vortrag u.a. das von Ratzinger in seinen "Jesus-Büchern" forcierte Projekt einer "kanonischen Exegese" als "beeindruckenden Versuch" einer "Verbindung von moderner historisch-kritischer Exegese" mit "spiritueller Dimension der Schriftauslegung".
In einem werkgeschichtlichen Durchgang zeigte der Wiener Alttestamentler zunächst auf, wie sich die Schriftauslegung bei Joseph Ratzinger seit seiner Dissertation 1954 über Augustinus verändert hat. In den 1980er Jahren habe sich bei Ratzinger diesbezüglich ein "entscheidender Umbruch" ereignet, insofern der damalige Präfekt der Glaubenskongregation die einschneidenden Veränderungen in der Bibelwissenschaft aufmerksam registriert und reflektiert habe: Diese Veränderungen bestanden laut Schwienhorst-Schönberger vor allem in einem "nüchternen Blick" auf Stärken wie Schwächen historisch-kritischer Bibelwissenschaft, in einer neuen Sensibilität für die "Sinnoffenheit literarischer Texte" sowie in der "Wiederentdeckung der Intertextualität und der Wiederentdeckung der Auslegungsgeschichte".
Diese Punkte habe Ratzinger schließlich in seinem Projekt einer "kanonischen Exegese" gebündelt - ein Versuch, den Schwienhorst-Schönberger durchaus "gegen verbreitete Vorurteile" verteidigen wolle, insofern er einer zentralen Forderung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) entspreche: der Verbindung von moderner historisch-kritischer Exegese und einer "Lektüre der Schrift, wie sie sich vor allem in der frühen Geschichte der Theologie herausgebildet hatte". Indem Joseph Ratzinger somit auch einer "geistigen, spirituellen Dimension" in der Bibelauslegung neue Geltung verschaffe, sei das Konzept einer "kanonischen Exegese" durchaus modern, berühre es doch die "aktuelle Frage nach dem Verhältnis von Theologie und Lebensform", so Schwienhorst-Schönberger.
Der "Neue Schülerkreis Joseph Ratzinger/Benedikt XVI." existiert seit 2008 - ihm gehört u.a. der Abt des Stiftes Heiligenkreuz, Maximilian Heim, sowie Prof. Justinus Pech von der Hochschule Heiligenkreuz an. Ziel ist die "Förderung der theologischen Wissenschaft und Forschung im Geiste der Theologie" des emeritierten Papstes und die "Weiterführung seines theologischen Ansatzes", wie es auf der Website der "Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI.-Stiftung" heißt.
Quelle: kathpress