Schändung von Ringstraßen-Schau: "Theologie darf nicht schweigen"
Da die jüngsten Attacken gegen die Wiener Ringstraßen-Ausstellung "Gegen das Vergessen" zugleich auch ein "Angriff auf die Grundlage unserer Kultur" darstellen, "darf die Theologie dazu nicht schweigen". Das hat der Wiener Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück im Gespräch mit "Kathpress" betont. Einen solchen Angriff auf die kulturellen Grundlagen stelle die Schändung des Kunstwerkes insofern dar, als Erzählung, Erinnerung und Solidarität Basiskategorien nicht nur einer geschichtssensiblen Theologie seien, sondern zugleich jene Momente, für die das Judentum stehe.
"Das Erinnerungs-Projekt des Künstlers Luigi Toscano möchte eine Gedächtniskultur stark machen, die dem Leiden ein Gesicht gibt, die aus antlitzlosen Nummern Menschen macht, deren Blicken man sich als Betrachter nicht entziehen kann", so Tück. Wer diese Antlitze nun attackiert bzw. gar zerschneidet, der attackiere damit zugleich die kulturelle Übereinkunft, dass den Antlitzen der Leidenden eine Autorität zukommt und die in diesen Antlitzen den personifizierten Mahnruf des "Nie wieder!" erkenne. Dies sei zugleich ein biblischer Impuls und provoziere daher auch notwendigerweise den Einspruch seitens der Theologie.
Eine theologische Reaktion verlange darüber hinaus die geschmierte Zeile "1 Jesus = 6.000.000 Juden". Dies bediene ein altes, antisemitisches Narrativ, welches die Verfolgung und Vernichtung der Juden als Strafe für den Gottesmord ansieht, so der Theologe weiter. "Dieses Narrativ ist in traditionalistischen Kreisen nach wie vor weit verbreitet und strahlt auch ins rechtspopulistische Milieu", das anfällig sei für alle Formen von antisemitische Verschwörungstheorien.
Als "großartig" würdigte Tück indes die Welle der Solidarität, die die Schändungen letztlich hervorgerufen habe und an der sich auch die Muslimische Jugend Österreich beteiligte.
Quelle: kathpress