In "Langer Nacht" hieß es "#Wir sind Greta!?"
Es braucht eine radikale Umkehr in Richtung Nachhaltigkeit - auf individueller wie auch auf politisch-struktueller Ebene, wenn der beobachtbare Klimawandel nicht in ein menschheitsbedrohendes Desaster führen soll: Darin waren sich die Teilnehmer an einer Klimapolitik-Diskussion "für ein gutes Leben aller" im Rahmen der "Langen Nacht der Kirchen" am Freitagabend in Wien einig. Das von den Ordensgemeinschaften, der Katholischen Jungschar und dem Bündnis "Christlich geht anders" veranstaltete Gespräch im Wiener Ordens-Begegnungszentrum "Quo Vadis" trug den Titel "#Wir sind Greta!?" und nahm damit auf die weltweiten "Fridays for Future"-Kundgebungen am selben Tag Bezug.
Der Physiker Prof. Reinhold Christian vom Forum Wissenschaft und Umwelt skizzierte eingangs die bereits jetzt sichtbaren Auswirkungen der seit 200 Jahren wirkenden Industrialisierung und dem damit verbundenen Verbrauch fossiler Brennstoffe: Seit 1850 sei die Durchschnittstemperatur weltweit gesehen um 1,5 Grad gestiegen, in Österreich gar um 2,3 Grad. Gelinge der Umstieg auf erneuerbare Energieformen innerhalb der nächsten Generation nicht, drohten Katastrophen ungeahnten Ausmaßes, ausgelöst durch das Abschmelzen des Grönlandeises oder der Versteppung des Regenwaldes in Amazonien. 200 Millionen Klimaflüchtlinge seien etwa um 2050 zu befürchten, wenn nicht entschieden gegengesteuert wird, sagte Christian.
Bei der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 seien mit der Selbstverpflichtung von rund 190 Staaten zwar einschneidende Maßnahmen in Aussicht gestellt, von der Politik aber nicht umgesetzt worden, kritisierte der Experte deren "Versagen". Gerade Österreich, wo etwa NGOs kaum in die Erarbeitung des "Nationalen Energie- und Klimaplans" eingebunden gewesen seien, lasse Engagement vermissen. Christian forderte Regelungen zugunsten einer Halbierung des derzeitigen Energieverbrauchs - ohne die nichtfossile Formen keine Chance hätten - und Kostenwahrheit für Verkehrsmittel und Konsumartikel. Als "beschämend" in Bezug auf Ökologie bezeichnete der Experte die jüngst von der ÖVP-FPÖ-Regierung geplante Steuerreform. Um hier eine Änderung hin zu konkretem Handeln zu erreichen, "ist mir fast jedes Mittel recht", sagte Christian.
Mit dem Soziologiestudenten Philipp Molitor saß einer am Podium, der seit Wochen an den von der jungen schwedischen Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg angestoßenen und von Jugendlichen getragenen "Fridays for Future"-Kundgebungen teilnimmt. Sein T-Shirt mit der Aufschrift "How old will you be in 2050?" unterstrich seine Forderung, dass politische Entscheidungsträger "nicht mit 140 in die Klimakrise fahren" dürften. Bei der anstehenden EU-Wahl gelte es für Klimagerechtigkeit einzutreten, so der auch in der Dreikönigsaktion der Jungschar engagierte Student.
Die Bäuerin Helene Binder von der Landjugend Österreich stellte deren Initiative "Daheim kauf ich ein" vor, die ein "WIRtschaften" für den Wert von Regionalität bewirbt. Es sei wichtig, die hohen Transportkosten etwa für die derzeit in Österreich kaum verfügbaren Erdäpfel zu berücksichtigen, appellierte Binder an die Mitverantwortung der Konsumenten: "Jeder Kassabon ist ein Stimmzettel!"
Entscheidend: "Wie geht Reduktion?"
Als konsequenter Dauernutzer öffentlicher Verkehrsmittel und "Vagabund an der Westbahnstrecke" zwischen Wien und Oberösterreich deklarierte sich Ferdinand Kaineder, der Sprecher der österreichischen Ordensgemeinschaften. Für ihn lautet eine Schlüsselfrage in der heutigen Umweltsituation: "Wie geht Reduktion?" - im Gegensatz zum von Politikern oft beschworenen Wachstum. Eine Antwort darauf gäben Ordensgemeinschaften wie die seit den 1980er-Jahren auf Ökologie setzenden Benediktiner der Abtei Michaelbeuern mit ihrem einfachen, behutsamen Lebensstil. Durch ein "Weniger ist mehr" sei ein Zugewinn an Lebensqualität zu erzielen, betonte der Ordenssprecher.
Kaineder vertrat bei dem Podiumsgespräch die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, Sr. Beatrix Mayrhofer. Sie habe gerade eine Krebsoperation hinter sich und eine Chemotherapie vor sich und werde in den nächsten Wochen nicht in der Öffentlichkeit auftreten, teilte ihr Sprecher dem betroffenen Publikum mit.
Quelle: kathpress