Zsifkovics spricht von "moralischer Sonnenfinsternis"
Der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics vertraut angesichts der aktuellen politischen Turbulenzen darauf, dass Österreichs Institutionen und Demokratie stark genug seien, "dass wieder Licht in diese moralische Sonnenfinsternis kommt", wie er im Interview mit "Vatican News" betonte. Er hoffe, dass nun erst recht viele Menschen zur Europawahl am kommenden Sonntag gehen, um die Zukunft mitzugestalten, so Zsifkovics. Für ihn seien die Vorgänge rund um das "Ibiza-Video" ein "österreichisches Watergate".
Der "Europa-Bischof" in der Österreichischen Bischofskonferenz sah in dem Skandal um Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache auch die Hersteller des Videos im moralischen Zwielicht. Zwar seien die Aussagen Straches "völlig inakzeptabel und voll abzulehnen", doch im Hintergrund gebe es auch noch jene "Kräfte", die Strache hereingelegt hätten. "Diese Kräfte, das ist etwas Grausames. Das ist auch abzulehnen." Der Eisenstädter Bischof verlangte eine vollständige Aufklärung über die Hintergründe des heimlichen Mitschnitts:
Moralisch einwandfrei, würde ich sagen, sind beide Seiten nicht. Weder die vor der Kamera, noch die hinter der Kamera.
Zsifkovics weiter: "Was hier passiert ist, ist sicher nicht förderlich für Europa. Gerade in einer Zeit, wo Politikverdrossenheit in der Bevölkerung und vor allem bei den jungen Menschen vorhanden ist, stimmten ihn solche Vorfälle "sehr traurig". Er hoffe sehr, so der Bischof, dass nun viele Menschen ganz bewusst zu den EU-Wahlen gehen "und politisch mitgestalten, nicht nur aus der ersten Reihe fußfrei sich zurücklehnen und nur kritisieren". Bei dieser Europawahl gehe es um eine wesentliche Entscheidung, nämlich "ob der gemeinsame Weg in Europa fortgesetzt wird oder nicht. Das heißt, ob das Friedensprojekt, das Sicherheitsprojekt, aber auch das Rechtsprojekt weitergeht."
Alle ins Boot Europa hineinnehmen
Ein Europa-Plädoyer legte der Bischof auch in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" ab:
Europa ist nicht nur auf Wirtschafts- und Rechtsverträgen gegründet, sondern wir müssen die Seele des Menschen berücksichtigen. Wir haben einen großen Bruch zwischen West- und Osteuropa. Dieser ist noch immer nicht überwunden. Es ist unsere, vor allem meine Aufgabe, als kleine Brücke zwischen den beiden Teilen Europas alle mit ins Boot hineinzunehmen.
Zsifkovics spielte damit zum einen auf seine Rolle als Europa-Beauftragter in der Bischofskonferenz ab, zum anderen auf die geografische und kulturelle Lage des Burgenlands am ehemals Eisernen Vorhang.
Der zunehmende Rechtsruck bzw. Nationalismus in Europa bereite ihm große Sorgen, bekannte der Bischof weiter im Interview: "Der Mensch hat aus der Geschichte nicht viel gelernt. Vor allem die ältere Generation müsste wissen, was es heißt, wenn es nur Nationalismus gibt, in welche fatale Ecke das Ganze gedrängt wird und was diese 'Ideologien' den Menschen letztlich gebracht haben." Europa sei ein großes Friedensprojekt, so Zsifkovics:
Das sollte man herausstreichen und nicht diese satanischen Floskeln, die die Menschen nur im Negativen stärken wollen und ihnen keine Zukunft bringen.
Für den Bischof sollte Europa "ein Kontinent mit vielen verschiedenen Menschen, Sprachen, Ethnien, Konfessionen und Religionen sein, wo wir aufgrund unserer alten europäischen Werte ein friedliches und offenes Zusammenleben pflegen, wo man den Mitmenschen nicht als Konkurrenten sieht, sondern vielmehr als eine wertvolle Ergänzung für das Gesamte."
Gegen "gravierendes Update der EU"
Einmal mehr zeigte sich der Europabischof skeptisch, ob die von Bundeskanzler Sebastian Kurz geforderte Neuverhandlung der EU-Verträge sinnvoll ist. Zsifkovics hielt den Zeitpunkt für unpassend.
Ob in dieser schwierigen, instabilen Situation jetzt wirklich ein so gravierendes Update der EU nötig ist, bin ich mir nicht ganz sicher. Ein Aufschnüren des Lissabon-Vertrages wäre eine große Gefahr, dass da vieles zu Fall kommt.
Die Ansicht, dass die Politik, die in Brüssel betrieben wird, dem Christentum schadet, teilte der Bischof nicht. "Im Europäischen Parlament sitzen sehr viele Christen und wenn diese wirklich nach ihrer Überzeugung abstimmen würden, dann müssten manche Gesetze anders aussehen", sagte der Bischof:
Ich appelliere sehr an unsere eigenen Parlamentarier, dass sie zu ihrem Christsein stehen und dies auch in der politischen Fragestellung seinen Niederschlag findet.
Auch im "Sonntag" appellierte der Bischof zur Teilnahme an der EU-Wahl: "Es gehört zur Pflicht eines jeden Staatsbürgers und vor allem Christen, dass er sich für das gemeinsame Größere mit dem Urnengang einsetzt." Er wolle alle Wahlberechtigten ermutigen, diesen Schritt zur Wahl zu tun. Nachsatz:
Wir sollten es nicht irgendwelchen Fundamentalisten überlassen, dass sie, ganz so wie beim Brexit, für viele eine schreckliche Zukunft bestimmen.
Quelle: kathpress