Experte nennt Veröffentlichung "ethisch vertretbar"
Die Veröffentlichung des "Ibiza-Videos" ist "ethisch vertretbar, wenn nicht sogar moralisch geboten". Das hat der deutsche Medienethiker Alexander Filipovic am Dienstag gegenüber "Kathpress" betont. Zur Kritik am auf fragwürdige Weise zustande gekommenen Mitschnitt der Gespräche von Seiten Heinz Christian Straches und anderer FPÖ-Vertreter meinte der Professor für Medienethik an der Hochschule für Philosophie in München, dass der des FPÖ-Politiker als Vizekanzler und Parteichef eine öffentliche Person sei. "Das Video zeigt ein Verständnis von Politik und Medien, dass die Öffentlichkeit kennen muss", so Filipovic, der auch Theologe und Berater der Deutschen Bischofskonferenz ist und kürzlich in Wien eine Lehrveranstaltung über Medienrecht hielt.
"Natürlich hat auch ein Anti-Demokrat Privatsphäre und private Rechte", betonte Filipovic im Interview. Das Video sei aber ein positives Zeichen, dass "wir kritische Medien haben, die das Richtige tun". Es sei zwar "moralisch nicht einwandfrei", einen Menschen in die Falle zu locken, trotzdem überwiege im Fall des "Ibiza-Videos" das öffentliche Interesse, so der Experte. Er gehe davon aus, dass das Video nicht von Journalisten aufgenommen wurde, da Journalisten eine Interview-Situation als solche deklarieren müssen und hier "zur Wahrheit verpflichtet sind", erklärte Filipovic.
Die Veröffentlichung des kompromittierenden Videomaterials bewertete Filipovic als ein legitimes Zeichen des Engagements von Seiten der Medien, die die Demokratie stärken wollen. Der Medienethiker sieht darin kein "Muskelspiel" mancher Medien mit rechtspopulistischen Bewegungen. Das hätten die "Süddeutsche Zeitung" (SZ), der "Spiegel" und die Wiener Wochenzeitung "Falter", die das Material an die Öffentlichkeit gespielt hatten, "nicht nötig", meinte der Theologe. Und weiter:
So wie ich diese Medien und einige der Journalisten kenne, ist diese Geschichte sorgfältig geprüft und publiziert worden.
Medien sieht der Kommunikationsethiker aber nicht als "vierte Gewalt" im Staat. Exekutive, Legislative und Judikative seien als staatliche Gewalten demokratisch legitimiert, den Medien fehle diese Legitimation, "darum passt die Metapher nicht", so Filipovic. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte diesen Ausdruck zuvor benutzt, um die positive Rolle der Medien im Fall des Skandalvideos herauszustreichen.
Medien und rechte Parteien
Im Zuge des erstarkten Rechtspopulismus in Europa ist laut Filipovic auch die Medienlandschaft stärker in den Fokus gerückt - etwa durch den "Lügenpresse-Vorwurf" rechter Bewegungen. Das im Video deklarierte Bestreben Straches, in Österreich eine Medienkontrolle "ähnlich wie der Orbans" in Ungarn zu etablieren, sei eine realistische Bedrohung, meinte der deutsche Medienethiker. Denn:
Populisten haben kritische Medien immer schon eindämmen wollen, weil sie ihrem politischen Stil nicht bekommen.
Social-Media-Kanäle seien für rechtspopulistische Bewegungen einfacher zu beeinflussen als vorhandene öffentlich-rechtliche oder private Medien.
"Demokratie und Gesellschaft brauchen eine starke pluralistische Medienlandschaft", plädierte Filipovic für einen guten Mix aus öffentlich-rechtlichen und privaten Medien. Je stärker und freier die Medienlandschaft sei, desto schwieriger sei es auch für die Politik, jenseits öffentlicher Aufmerksamkeit zu agieren.
Quelle: kathpress