"Es geht massiv um die Zukunft der EU"
Als "Schicksalswahl" sieht die in Kärnten lehrende Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle die am 26. Mai durchgeführten Wahlen zum Europäischen Parlament. "Es geht schon ganz massiv um die Zukunft der EU", sagte sie im Interview mit der Kärntner Kirchenzeitung "Sonntag". Bisher hatten EU-Wahlen eine sehr geringe Wahlbeteiligung, was laut der Expertin daran lag, "dass EU-Skeptiker keinen Sinn sahen, diesem Gremium ihre Stimme zu geben". Jetzt könne man mit der neuen Union rechtsnationaler Parteien ausgewiesene EU-Gegner wählen. "Das kann für die EU und ihre Entwicklung unvorhersehbare Folgen haben", meinte Stainer-Hämmerle.
Bei ihren Zukunftsvorstellungen zur EU hätten die in Österreich zur Wahl stehenden Parteien ganz gegensätzliche Konzepte: Die Bandbreite reiche hier von mehr Europa im Sinne von "Vereinigten Staaten von Europa", wie es die Neos wollen, über das vor allem sozialer auszurichtende Europa der SPÖ und den ÖVP-Wunsch nach einem neuen Vertrag zugunsten eines effizienteren Europa bis hin zu einem Europa der starken Nationen, wie es die FPÖ anstrebt.
Die Frage, was will eine Partei auf europäischer Ebene, sollte meiner Meinung nach auch der wichtigste Grund sein, die eine oder die andere Gruppierung zu wählen.
Letztlich werde das EU-Parlament als das gesetzgebende Organ gewählt. Dabei sei es problematisch, dass die Wahl immer noch auf nationaler Ebene erfolgt. "Man wählt einen von vielen, weiß aber nicht genau, welche Auswirkungen das dann auf EU-Ebene hat", so Stainer-Hämmerle. Dadurch bestehe die "Gefahr, dass eine europäische Wahl doch mit nationalen Themen ausgetragen wird".
Angst beeinflusst Wahlen
Nicht nur bei der anstehenden Wahl, auch bei vorhergehenden sei ein Paradoxon zu beobachten gewesen, wies die Politikwissenschaftlerin hin:
Je älter eine Gesellschaft wird, desto sicherer wird sie. Gleichzeitig aber wird sie ängstlicher, weil ältere Menschen einfach mehr Ängste haben.
Stainer-Hämmerle sprach von einem "eklatanten Bruch zwischen der objektiven Faktenlage einer sicherer werdenden Gesellschaft und den subjektiv gefühlten Ängsten", was auch zu den sehr unterschiedlichen Blickwinkeln auf die EU führe.
Vielleicht ist das ja auch ein Grund, warum so viele ältere Männer zur Wahl stehen, weil sie die Mehrheit der älteren Wähler besser ansprechen.
Mehr Zusammenhalt und Solidarität in Europa ist nach Überzeugung der Wissenschaftlerin nur über Bildung zu erreichen: "Ich würde vorschlagen, dass man statt einer Wienwoche eine Brüsselwoche macht" und auch entsprechende Angebote für Erwachsene macht. "Dann kommt man drauf, dass vieles, was hier von der EU erzählt wird, nicht stimmt", erklärte Stainer-Hämmerle, "etwa das Vorurteil von der Beamtenburg: Die ganze EU hat weniger Beamte als die Stadt Wien." Sie erlebe immer wieder, so die Politologin:
Wenn Leute einmal in Brüssel bei der EU waren und sich selbst ein Bild gemacht haben, kommen sie beeindruckt zurück.
Quelle: kathpress