Migranten hoffen, in Österreich Heimat sehen zu können
Die Caritas hat unter dem aus der Papst-Umweltenzyklika entlehnten Titel "Common Home" (deutsch: "Laudato si -Über die Sorge für das gemeinsame Haus") in elf EU-Ländern nach der Beheimatung von Flüchtlingen und Migranten gefragt. Die entsprechende Studie für Österreich wurde am Mittwoch in Wien von Autorin Katharina Hartl und Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer vorgestellt und ist im Internet unter www.caritas.at/MIND abrufbar. "MIND" steht für "Migration/Interconntectedness/Development) und ist ein 3-Jahres-Projekt, das von der EU-Kommission finanziert wird. An der Präsentation nahmen auch schon länger in Österreich lebende Migranten aus mehreren Ländern teil, die sich über Heimat und Beheimatung äußerten.
Christoph Schweifer sagte, er habe in zahlreichen Ländern das Phänomen Migration erlebt. Ziel der freiwillig oder zwangsweise Gekommenen sei immer auf lange Sicht Selbstständigkeit, für die Familie sorgen zu können, Zugehörigkeit zu spüren, Heimatgefühl zu entwickeln sowie Angenommensein zu bekommen. Weiters gehe es darum, Qualifizierung zu erwerben und Rechtssicherheit zum Dableiben zu erhalten.
Migration müsse als Fähigkeit erkannt werden, betonte Schweifer:
Ohne Migration wären die Menschen vor mehreren 10.000 Jahren im Inneren Afrikas verdurstet.
Er erinnerte an die Migration von 50.000 seiner burgenländischen Landsleute in die USA in den Jahren 1918 bis 1938: "Sie haben durch ihre Dollarüberweisungen zum Aufbau der alten Heimat beigetragen."
Genau die gleiche Situation bestehe auch heute, so Schweifer: Laut "Common Home"-Studie überweisen in Österreich lebende Migranten etwa vier Milliarden Euro in ihre Heimatländer. "Ihre Rücküberweisungen sind in manchen Ländern höher als die Entwicklungszusammenarbeit."
Enge Perspektive der Austro-Politik
Kritik übte Schweifer an der engen Perspektive der österreichischen Politik, die das Jahr 2015 immer nur mit der Flüchtlingswelle in Verbindung bringe. Global seien für 2015 drei andere Dinge wichtig gewesen: Die UN-Sustainable Development Goals (SDG) zur Armutsbekämpfung und das Pariser Klimaabkommen als menschheitsgeschichtlich erste Zukunftsgesamtprojekte, die anspruchsvoll, aber erreichbar sind. Das Kimaabkommen zeige erstmals auf, dass "das, was wir hier tun, Auswirkungen auf das Leben andernorts hat". Schließlich erwähnte der Caritas-Bereichschef auch die ebenfalls 2015 veröffentlichte Umweltenzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus, die Gerechtigkeits- und Klimaschutzengagement verbinde. Schweifer:
Der Papst erinnert, dass es nur eine Menschheitsfamilie gibt, dass die von Klimakatastrophen Betroffenen Brüder und Schwestern sind.
Die aus Serbien stammende Künstlerin Jelana Poprzan äußerte sich zum Heimatgefühl. Sie fühle sich heute vor allem als Österreicherin. "Wenn ich nach Serbien fahre, merke ich, wie viele Chancen dort verpasst wurden und wie viel Mögliches nicht realisiert wurde."
Der aus Afghanistan stammende Sozialarbeiter Shokat Ali Walizadeh beklagte eine starke Diskriminierung und medial falsche Wahrnehmung der afghanischen Community, die in Wien etwa 18.000 Menschen zähle. Viele seien schon mehr als ein Jahrzehnt hier, denn der Krieg in Afghanistan komme mittlerweile auf 40 Jahre. Er selbst - so Walizadeh - sei heute in Österreich angekommen und "möchte nicht mehr wieder von hier weg". Es tue ihm allerdings weh, wenn er erlebe, wie die österreichische Politik agiere - etwa "wenn der UN-Migrationspakt nicht unterzeichnet wird".
Die gebürtige Jemenitin Ayat Molhi berichtete von ständigen Beschimpfungen wegen ihres Kopftuchs.
Aber ich lache meistens darüber. Was ich mir wünschen würde: Dass die Leute mich fragen, warum ich ein Kopftuch trage.
Die Autoren von "Common Home" betonen in der 73-seitigen englischsprachigen Publikation, sie wollten insgesamt zu einer positiven Stimmung beitragen und mehr Wissen innerhalb der europäischen Bevölkerung generieren. Die Menschen in den teilnehmenden Partnerländern sollten ein vertieftes Verständnis für nachhaltige Entwicklung und Migration haben und die Rolle der Europäischen Union als "Treiberin in Entwicklungszusammenarbeit" kennen. Migranten sollten als Akteure nachhaltiger Entwicklung angesehen werden. Personen in ganz Europa seien gefragt worden, was Heimat für sie bedeute. Erinnert wird, dass 70 Millionen Menschen weltweit kein Zuhause haben.
Im Verlauf der kommenden drei Jahre will die Caritas Entscheidungsträger und Akteure von Entwicklungszusammenarbeit sowie die österreichische Öffentlichkeit mit der Kombination aus Advocacy Arbeit und Kampagnenaktivitäten erreichen und bewegen. "Dabei ist die Involvierung von jungen Menschen durch unser starkes youngCaritas Netzwerk ein zentraler Baustein. Viele der kommenden Aktionen werden von, für und mit Jugendlichen gestaltet und umgesetzt. Als Brückenbauer innerhalb unserer Gesellschaft wirken sie im MIND-Projekt als Multiplikatoren mit", so das Team. (Informationen und Download: www.caritas.at/MIND)
Quelle: kathpress