Kirche hat junge Frauen "verloren"
Die römisch-katholische Kirche hat laut der an der Universität Wien lehrenden Theologin Regina Polak "vor allem gebildete junge Frauen verloren. Das ist eine Realität". Aber auch innerhalb der Kirche rege sich Widerstand, wie etwa großflächige Protestaktionen in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Südtirol und sogar in Lateinamerika zeigten, bei denen die beteiligten Frauen eine Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in der Kirche forderten. Auf diese Aktionen müsse die Kirche nun reagieren, sagte Polak am Dienstag gegenüber dem Internetportal religion.ORF.at.
Junge Frauen hätten durchaus Interesse an Spiritualität und religiösen Fragestellungen, sagte Polak, die seit knapp drei Jahrzehnten im Rahmen der Europäischen Wertestudie die Religiosität der Österreicher erforscht. Dass die Kirche vor allem gebildete junge Frauen nicht gut erreichen könne, führt die Theologin auf die Situation der Frauen in der Kirche zurück. Diese sei für viele schlichtweg "nicht besonders attraktiv".
Anders als in den meisten evangelischen, in der altkatholischen und der anglikanischen Kirche, wo es selbst Bischöfinnen gibt, dürfen Frauen in der römisch-katholischen Kirche keine Weiheämter bekleiden. Vor 25 Jahren hielt Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben "Ordinatio sacerdotalis" dann auch "kraft seines Amtes" fest, dass es keinen Zweifel gebe, dass "die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben".
Debatten über die Weihe von Frauen - etwa zumindest zu Diakoninnen - wurden und werden aber weiterhin geführt. Für Gleichstellung und für erneuerte Strukturen treten etwa Katholikinnen in Deutschland und vereinzelt in Österreich nun öffentlichkeitswirksam mit einem Kirchenstreik unter dem Motto "Maria 2.0" ein. Frauen betreten eine Woche lang keine Kirche und feiern stattdessen Gottesdienste auf den Kirchplätzen - das soll die Entscheidungsträger aufhorchen lassen.
Katholikinnen "hochgradig verärgert"
In Österreich hat eine Gruppe junger Theologinnen aus Tirol die Aktion "50 Tage 50 Frauen" ins Leben gerufen, bei der sich Frauen seit Ostern bis Pfingsten jeden Tag auf der Website "bleiben.erheben.wandeln" für Gleichstellung und Wandel stark machen. Die Initiative wird vom Frauenreferat der Diözese Innsbruck unterstützt, an ihr beteiligen sich u.a. Magdalena Holztrattner, Leiterin der Katholischen Sozialakademie, Anna Findl-Ludescher, geschäftsführende Vorsitzende des Österreichischen Pastoralinstituts, Angelika Walser, Professorin für Moraltheologie an der Universität Salzburg oder Kerstin Schlögl-Flierl, Professorin für Moraltheologie an der Universität Augsburg. Blog-Beiträge verfassten auch die Generalsekretärinnen der Vereinigung der Frauenorden sowie der Katholischen Frauenbewegung, Sr. Cordis Feuerstein bzw. Regina Augustin.
Sie bedienen sich unterschiedlicher Methoden, aber haben ähnliche Motive: Die Frauen, die sich für neue Kirchenstrukturen einsetzen "sind praktizierende, treue Katholikinnen, aber gleichzeitig sind sie auch hochgradig verärgert", sagte Polak. Etwa darüber, dass sie mit im Boot sitzen, wenn die Kirche aufgrund von Missbrauchskrisen so viel Schaden nimmt, und dass sie sich rechtfertigen müssen, warum sie diese Strukturen überhaupt unterstützen. Strukturen, für die sie "nicht hauptverantwortlich" sind, die letztlich Männer "zu verantworten" haben.
Den Anstoß zur Aktion gab ein Blog-Eintrag von Walser, in dem sie sich ihre Wut über Machtstrukturen, sexualisierte Gewalt, Missbrauchsfälle und den Umgang der katholischen Kirche damit "von der Seele geschrieben hat", sagte sie am Montag im Ö1-Format "Religion aktuell". In der Kirche gebe es aktuell zwei verschiedene Gruppen von Frauen:
Entweder sie sind eher wieder traditionell weiblich, sagen ganz klar, sie möchten bei der Familie bleiben, sich ganz auf diesen häuslichen Bereich konzentrieren, oder sie sagen, wir möchten einen guten Beruf, wir möchten in die Welt, wir anerkennen die spirituelle Kraft der Kirchen, aber Mitglied sind wir dort nicht mehr.
Wenn sie diese Frauen nicht verlieren wolle, müsse die katholische Kirche jetzt sofort handeln. Fließe nur die Hälfte jener Energie, die in der Aktion "50 Tage 50 Frauen" stecke, in die Kirche, wäre laut Walser zwar nicht alles perfekt, "aber wir stünden anders da". Einen dringlichen Appell richtete sie auch an die Verantwortlichen in der Österreichischen Bischofskonferenz. Diese müssten das Thema "endlich an sich heranlassen".
Forderungen "von radikal bis gemäßigt"
Frauen als Diakoninnen, Priesterinnen, Bischöfinnen aber auch das Aus für den Pflichtzölibat also den Zugang von verheirateten Männern zum Priesteramt sowie eine veränderte Sexualmoral der Kirche - die Forderungen an die Amtskirche, die von Frauen erhoben werden, sind vielfältig. Frauen - "das ist keine homogene Gruppe, auch nicht in der Kirche", sagte Polak. Das Spektrum der Forderungen gehe "von radikal bis gemäßigt", aber im Zentrum stehe die Forderung nach einer "Teilhabe an Macht, Mitbestimmungs- und Gestaltungsmöglichkeiten - auch rechtlich und theologisch abgesichert". Forderungen, die auch von Männern geteilt werden.
Es sei nicht so, dass Frauen in der Kirche nicht mitgestalten dürften, aber das Innehaben von Ämtern ermögliche andere Spielräume: "Wenn Frauen in der Krankenhausseelsorge tätig sind und jemanden in seiner Krankheit beim Sterben begleiten, dann ist es nicht möglich die Krankensalbung zu spenden, was absurd ist", kritisiert Polak. Das Sakrament der Krankensalbung kann nur ein Priester spenden.
Kirche "kann und wird reagieren"
Für die katholische Kirche wäre die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern mit einem "fundamentalen Kulturwandel" verbunden. Doch "mit Blick auf die Entwicklungen in Europa, sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kirche, führt kein Weg daran vorbei", sagte Polak. Die Botschaft, die von Frauen durch unterschiedliche Aktionen ausgesandt wird, müsse ankommen und das werde sie auch.
Schon allein deswegen, weil Papst Franziskus die Frage der Frauenförderung auch programmatisch als Leitlinie vorgegeben hat. Das kommt auch von oben, nicht nur von unten.
Genaue Zeitangaben traue sie sich bei ihrer Kirche nie machen, doch die Theologin zeigte sich optimistisch: Römisch-katholische Diakoninnen werde sie, derzeit 52, noch erleben. Aber, sagte Polak:
Es ist schade, dass Frauen so einen Aufstand machen müssen, um gehört zu werden.
Quelle: kathpress