Wer Religion bekämpft, stiftet nicht Frieden
Wer mit dem Finger auf Religionen zeigt, um das Grundübel von Hass und Gewalt in der Welt zu benennen, zeigt auf die Falschen.
Das halten der Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister und der Wiener Imamm Ramazan Demir in einem gemeinsamen Gastkommentar in der Tageszeitung "Die Presse" (Dienstag) fest. Die allermeisten Konflikte in der Welt seien immer schon und so auch gegenwärtig politischer Natur, nicht religiöser. Es gehe um irdische Macht und Einfluss. "Gewalt gegen Andersgläubige oder gar Mord sind weder mit den Werten des Judentums oder Islam noch mit der Theologie des Christentums vereinbar. Die Gewalt, die wir erleben, ist nicht von Gott gewollt. Sie ist von Menschen gemacht", halten die beiden Geistlichen fest. Die jüngere Geschichte habe gezeigt:
Wer Religion als ein Übel bekämpft und die Religionsfreiheit einschränkt, stiftet nicht Frieden, sondern nur neues Unheil.
Man könne "gewaltbereiten Fanatikern nicht dadurch das Wasser abgraben, dass man sich ihrem Schwarz-Weiß-Denken anschließt, dass man mit gleicher Münze zurückzahlt", so Demir und Hofmeister. Sie betonen zugleich:
Wer die Gotteshäuser einer anderen Glaubensgemeinschaft angreift, greift uns alle an. Wer auf Betende schießt, ist kein Märtyrer, sondern ein Verbrecher.
Religiöse und spirituelle Ausrichtung im Leben könne niemals Rechtfertigungsgrund für Hass auf Andersdenkende sein. Das sei ein Widerspruch in sich selbst und gelte sowohl für die monotheistischen Religionen des Judentums, des Islam und des Christentums als auch für den Buddhismus und die verschiedenen Formen des Hinduismus. Es wäre wichtig, so die beiden Geistlichen, "dass dies immer wieder zum Ausdruck gebracht wird - nicht nur von religiösen Führern, sondern auch von Politikern und Medien".
So wie das Thema Religion derzeit auf der politischen Agenda steht - nämlich laut Hofmeister und Demir in "sehr negativer, verzerrter Weise" - sei dies kontraproduktiv:
Wenn Religionen pauschal zum Sündenbock gemacht werden, beschleunigt das die Spirale der Gewalt nur.
Dialog und Taten
Die beiden plädieren einerseits für mehr Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften, andererseits brauche es aber auch konkrete Taten. Ein positives Beispiel und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sei etwa das Projekt "MuslimInnen gegen Antisemitismus", das von der Muslimischen Jugend Österreichs (MJÖ) initiiert wurde.
Auch der Hass, den man im Internet und in den sozialen Netzwerken findet und der viele der jüngsten Attentäter zu ihren Taten angestachelt hat, müsse bekämpft werden, fordern Demir und Hofmeister ein. Das wäre der wichtigste Beitrag zur Verhinderung der Radikalisierung von jungen Menschen. Denn entgegen landläufiger Meinung finde die Radikalisierung nicht in Gotteshäusern statt, sondern oft vor Computerbildschirmen. Die Weltreligionen seien dem Frieden verpflichtet. "Ihre Angehörigen dürfen nicht länger ungerechtfertigterweise stigmatisiert werden", so der abschließende Appell der beiden.
Hofmeister und Demir setzten immer wieder gemeinsame religionsverbindende Aktionen. So bereisten sie etwa vor einigen Jahren gemeinsam Israel und Palästina. Darauf fußt der Dokumentarfilm "Eine fast unmögliche Freundschaft", der im Juni 2016 vom ORF gesendet wurde.
Quelle: kathpress