Moraltheologe: Zeitfenster für "ökologische Umkehr" nutzen
Der an der Katholischen Privatuniversität Linz lehrende Moraltheologe Michael Rosenberger sieht die Chance für eine "ökologische Umkehr" im Moment so gut wie noch nie. Sowohl Gesellschaft als auch Politik seien zur Zeit besonders empfänglich für das Thema. Diesen Moment gelte es seitens der Politik zu nutzen, um endlich die richtigen Schritte, wie etwa eine CO2-Steuer, zu setzen, sagte Rosenberger kürzlich im Gespräch mit "Kathpress". Zu viel Zeit dürften sich die politischen Verantwortungsträger allerdings nicht lassen, "denn in zwei bis drei Jahren kann die Stimmung wieder kippen". Die Botschaft laute deshalb: "Wir wollen Klimaschutz jetzt und keine weitere Verschiebung."
Im Moment gehe die Entwicklung in Österreich allerdings in eine falsche Richtung. Es werde "viel zu wenig" für den Umweltschutz getan, das Land verfehle seine Klimaziele bei weitem. "Das, was an Reduktion möglich wäre, wird nicht mal ansatzweise auf den Weg gebracht", so der Moraltheologe. Für eine Schlüsselmaßnahme hält er die Einführung einer CO2-Steuer, für die etwa die "Katholische Aktion" kürzlich geworben hatte. Die Kirche sieht er in der Pflicht, mehr Druck auf die heimische Politik auszuüben und sich mit anderen Gruppen der Zivilgesellschaft zusammenzuschließen, "damit wir hier weitergehen".
Mehr Engagement für den Schutz der Natur wünscht sich Rosenberger sowohl auf pfarrlicher als auch auf diözesaner Ebene Seitens der Kirche. Es gebe zwar einzelne vorbildliche Pfarren und Bildungshäuser, "aber in vielen Pfarren hat man noch nicht einmal begonnen, den sorgsamen Umgang mit der Schöpfung zum Thema zu machen". Auch wenn die österreichische Bischofskonferenz das Thema 2015 mit der Forderung nach Umweltleitlinien für die Diözesen zur Chefsache gemacht habe. Die Kirche müsse sich in den nächsten Jahren anstrengen, um nicht einfach bei diesem Schritt stehen zu bleiben.
In der Theorie spiele der Schöpfungsglaube in der Kirche aber immer schon eine wichtige Rolle. Das zeige sich etwa an den Vorlesungszyklen an den Universitäten, in denen in den letzten 20 Jahren das Thema immer größere Bedeutung gewonnen habe. Diese Theorie müsse allerdings im konkreten Verhalten der Gläubigen Ausdruck finden. "Letztlich geht es darum, dass wir das Evangelium nur dann glaubhaft verkünden können, wenn wir mit unserem Leben bezeugen, was wir sagen", so der Moraltheologe.
Glaube Motivation für Umweltschutz
Einen entscheidenden Beitrag zur Motivation für den Umweltschutz könne laut Rosenberger der Glaube leisten. Eine tragende Rolle spiele dabei die Vorstellung der Natur als Schöpfung Gottes, die dieser dem Menschen als Leihgabe zur Verfügung gestellt habe. Damit verbunden sei allerdings der Anspruch, mit dieser Leihgabe sorgfältig umzugehen. Diese Vorstellung verstärke die rein aus der Vernunft ableitbaren Gründe für den Umweltschutz emotional. Der Glaube habe darüber hinaus auch eine kritische Funktion. Er fordere dazu heraus, beim Thema Umweltschutz "genau hinzusehen" und die eigenen Bemühungen zu verstärken. "Da kann der Glaube einfach diesen kritischen Blick schärfen, dass man so etwas genau anschaut, dass man das an sich heranlässt. Da kann der Glaube schon auch Bewusstsein stärken", so der Moraltheologe.
Einen "unglaublichen Schub" habe für das Thema Schöpfungsverantwortung auch die von Papst Franziskus verfasste Enzyklika "Laudato si" gebracht. Zahlreiche kirchliche Verantwortungsträger seien dadurch wachgerüttelt und für die Dringlichkeit des Themas sensibilisiert worden. Weltweit gesehen gingen die Kirchen in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich mit dem Thema um. Eine Vorreiterrolle spielten dabei vor allem Länder Lateinamerikas, in denen der ökologische Landbau auf dem Vormarsch sei. Diese Bewegung könne als Vorbild für Europa und auch Österreich dienen. Konkret nannte der Moraltheologe etwa das Engagement des emeritierten Amazonas-Bischofs Erwin Kräutler, der sich intensiv um den Schutz des Regenwalds bemühe.
Artensterben verheerend für Planeten
Angesprochen auf das von der UN prognostizierte Aussterben von weltweit mehr als einer Million Tier- und Pflanzenarten, meinte Rosenberger, dieses werde "verheerende Folgen" für den Planeten haben. Das Aussterben einzelner Arten löse eine Kettenreaktion aus, deren Ende noch nicht absehbar sei allerdings nichts Gutes verheiße, sagte Rosenberger in einem Gespräch mit "Kathpress". Der Moraltheologe sprach von einer Situation ähnlich wie bei einem Lawinen-Abgang, der zunächst von einer kleinen Menge Schnee ausgelöst, auf dem Weg ins Tal allerdings zu einer riesigen Schneemasse anwachse. Als Teil des Ökosystems müsse sich auch der Mensch auf drastische Veränderungen einstellen. Diese Entwicklung könne noch gestoppt werden, allerdings nur dann, "wenn schnell und entschieden Maßnahmen eingeleitet werden".
Quelle: kathpress