Flüchtlinge, Mutmacher, Friedensgebet mit Kinderchor
Silsila Mahbub ist ein Mensch, wie der Papst sie sich wünscht. Die Freiwillige der Caritas in Sofia mit Migrationshintergrund begrüßt Franziskus am Morgen im Flüchtlingszentrum Vazhdebra am Rand der bulgarischen Hauptstadt. Sie erzählt von ihrer Arbeit mit Migrantenkindern und warum sie dies tut: "Gemäß Ihrem Appell, den Schwächsten nahe zu sein, helfen wir jenen, die nach Bulgarien gekommen sind."
Vor allem kümmern sich Mahbub und andere freiwillige Mitarbeiter der Caritas, des UNHCR und Roten Kreuzes um die Kinder, die meist aus Irak und Syrien stammen: Ausflüge, Einführungen in die Kultur des Landes, Sprachkurse und Hilfe bei Behördengängen. Das frisch renovierte Aufnahmezentrum, in dem die Migranten frei ein- und ausgehen können, wirkt wie für den Papstbesuch inszeniert. Dass es wegen Renovierungsmaßnahmen monatelang geschlossen war und erst vor zwei Monaten wiedereröffnet wurde, liegt aber nicht am Papst, sondern an der EU-Kommission.
Die hatte die Regierung in Sofia dringend ermahnt, unter anderem die Infrastruktur für Migranten und Flüchtlinge zu verbessern und auf EU-Standard zu bringen. Geschmückt mit Kinderzeichnungen und einer blitzsauberen Gemeinschaftsküche wirkt es wie ein Vorzeigekulisse für den hohen Besuch.
Der Papst macht keine vielen Worte, sagt nur, die Welt der Flüchtlinge und Migranten sei "ein Kreuz der Menschheit und ein Kreuz, das viele Menschen erleiden". Vor allem will Franziskus in Bulgarien wie in anderen Ländern ein Zeichen setzen. Bereits am Sonntag hatte Franziskus an Regierung und Politiker appelliert, sich Migranten nicht zu verschließen.
Doch Bulgarien lehnt den im Dezember in Marokko beschlossenen UN-Migrationspakt ab; bei der Sicherung der EU-Außengrenzen vertritt das Land einen harten Kurs; Menschenrechtsorganisationen beklagen Gewaltanwendung gegenüber Flüchtlingen. Die meisten kommen aus Afghanistan, Irak, Syrien und Pakistan. Von den 2.540 Asylanträgen im Jahr 2018 wurden laut Landesstatistik fast alle Syrer, aber kaum Afghanen und nur jeder zehnte aus Irak anerkannt.
Bulgarien, das an die Türkei grenzt, ist für Flüchtlinge meist nur Durchgangsland. Im ärmsten EU-Land will in der Regel keiner bleiben. Auch etliche Bulgaren nicht. Seit 1990 haben rund 2 Millionen meist junge Bulgaren wegen mangelnder Zukunftschancen das Land gen Westen verlassen. Zwar hat sich die Lage seit dem EU-Beitritt gebessert, aber der Abstand zur übrigen EU ist noch groß.
Wohl auch deshalb gerät die Ansprache des Papstes an Katholiken in der südbulgarischen Kleinstadt Rakowski am Nachmittag zu einer Mutmach-Predigt. Von Schwierigkeiten sollten sie sich nicht einschüchtern lassen. "Männer und Frauen Gottes sind die, die den Mut zum ersten Schritt haben", sagte er und zitiert erneut den in Bulgarien geschätzten Papst Johannes XXIII.:
Ich habe nie einen Pessimisten getroffen, der etwas Gutes hervorgebracht hätte.
Zurück in Sofia, wirbt Franziskus bei einem abendlichen Friedensgebet der Religionen für "Dialog als Weg", "allgemeine Zusammenarbeit als Verhaltensregel" und "gegenseitiges Verständnis als Methode und Maßstab". Ziel sei ein "aktiver Friede, der gegen alle Formen von Egoismus und Gleichgültigkeit gewappnet ist". Der Ort der Feier ist geschichtsträchtig. Der Unabhängigkeitsplatz, wie er heute heißt, war früher nach Lenin benannt; entstanden war er im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs.
Orthodoxe bleiben distanziert
Außerdem liegt er - an diesem Abend der Begegnung ebenfalls bedeutsam - in Sichtweite oder nur wenige Gehminuten entfernt von der Synagoge, der Moschee, der armenischen und der katholischen Kirche neben der orthodoxen Sankt-Nedelja-Kirche. An einer Kerze mit dem Logo der Papstreise werden sechs Fackeln entzündet, die für die beteiligten Glaubensgemeinschaften stehen.
Dass bei der Feier fünf offizielle Religionsvertreter auf der Bühne stehen, die orthodoxe Kirche aber "nur" durch einen Kinderchor vertreten wird, ist ebenfalls symbolisch. Die offiziellen Vertreter der Mehrheitskirche Bulgariens fühlen sich vom Besuch aus Rom überrumpelt. Sie beteiligen sich höflich, aber reserviert und beäugen die Franziskus-Euphorie etwas argwöhnisch. Den Besuch des Papstes im Flüchtlingszentrum goutieren einige von ihnen ohnehin nicht, sie drängen die Regierung eher dazu, die Grenzen weiter dicht zu halten.
Quelle: kathpress