Jerusalem: Wo sich Israelis und Palästinenser noch treffen können
Das österreichische Pilger-Hospiz in der Jerusalemer Altstadt beschäftigt 36 arabische Mitarbeiter, jeweils zur Hälfte Muslime und Christen. Das Wiener Kaffehaus im Hospiz zieht aber auch viele Israelis an und so schafft die Einrichtung "Räume, in denen sich Palästinenser und Israelis begegnen können". Das ist für Rektor Markus Bugnyar eine der ganz wichtigen Aufgaben der Einrichtung, wie er im "Kathpress"-Gespräch vor Ort betonte.
In den 1990er-Jahren, als Bugnyar erstmals nach Israel kam, waren Kontakte zwischen den beiden Völkern noch viel selbstverständlicher, die Bewegungsfreiheit für die Palästinenser viel einfacher. Viele arbeiteten in israelischen Firmen oder waren im Sozialbereich tätig. Dies habe sich mit der Zweiten Intifada ab 2000 drastisch verändert. Heute würden Gastarbeiter aus dem asiatischen Raum die Plätze der Palästinenser einnehmen.
Auf politischer Ebene werde es für den israelisch-palästinensichen Konflikt wohl so schnell keine Lösung geben, "sobald es aber persönliche Kontakte gibt, fällt es dem Einzelnen natürlich schwer, den anderen hassen zu müssen", so Bugnyar. Nicht zuletzt deshalb möchte das Hospiz mit vielfältigen Veranstaltungen solche Begegnungen ermöglichen. Freilich räumte der Rektor ein:
Das sind nicht die großen Massen, die wir damit erreichen. Und wir erreichen auch nicht die Extremisten auf beiden Seiten. Jemand der Steine werfen möchte, wird nicht zu einer Dialogveranstaltung kommen.
Zu den Dialogbemühungen im Hospiz gebe es aber keine Alternative, zeigte sich der Rektor überzeugt.
Die offizielle Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch US-Präsident Donald Trump bewertete Bugnyar vorsichtig positiv. Die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem habe vor Ort "kaum jemanden interessiert". Für die Israelis sei auch davor schon klar gewesen, dass Jerusalem ihre Hauptstadt ist. Und auch die palästinensische Seite erhebe den Anspruch auf die Stadt. Insofern habe die Trump-Maßnahme auch keine besondere zusätzliche Reibungsfläche mehr geschaffen.
Trump hat zwar aus US-Sicht Jerusalem als Hauptstadt Israels festgelegt, zugleich aber auch gesagt, dass eine endgültige Lösung vor Ort gefunden werden muss und nicht von außen kommen könne. Das sei vor Ort positiv aufgenommen worden, so Bugnyar:
Kein Orientale wird sich von welchen Dritten auch immer hier irgendetwas vorschreiben lassen.
Trump habe zumindest gewisse Spielräume frei gehalten. Seine Anerkennung Jerusalem habe auch noch nichts Definitives über die Grenzen dieser Stadt ausgesagt. Dieser Aspekt wurde im Westen medial aber überhaupt nicht aufgegriffen, ärgerte sich der Hospiz-Rektor.
Eine dritte Intifada hielt Bugnyar jedenfalls für völlig unwahrscheinlich. Für einen solchen breiten Aufstand fehle den Palästinensern schlicht die Kraft bzw. die wirtschaftlichen Ressourcen.
Christen zwischen allen Stühlen
Die Vorstellung, dass Christen im Heiligen Land eine Brückenfunktion zwischen Muslimen und Juden einnehmen sollten, wies Bugnyar zurück. Für einen gläubigen palästinensischen Muslim sei ein palästinensischer Christ in gewisser Weise ein Vertreter des Westens und damit auch eine Art Einfallstor für westliche Werte, welche die Muslime ablehnten. Deshalb würden christliche Palästinenser oftmals auch nicht als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt. Auf der anderen Seite bleibe ein palästinensischer Christ aus Sicht der Israelis auch immer ein Araber und stelle damit ein gewisses Sicherheitsrisiko dar - auch wenn er mentalitätsmäßig und von seinen Wertvorstellungen her den Israelis sehr ähnlich ist. Bugnyar:
Die Christen sitzen in Wahrheit zwischen allen Stühlen.
Auf die Angriffen radikaler fundamentalistischer Juden auf Christen angesprochen berichtete Bugnyar, dass es durchaus vereinzelt vorkommt, dass vor oder hinter ihm auf der Straße jemand als Zeichen der Missachtung ausspuckt, wenn er als Priester erkennbar ist. Direkt angespuckt, so wie es andere Geistliche berichten, wurde er aber noch nie. Das passiere freilich öfter im armenischen Viertel der Jerusalemer Altstadt, wo orthodoxe Juden den Weg zur Klagemauer nehmen.
Er glaube aber nicht, so der Hospiz-Rektor, dass diese Vorfälle zuletzt zugenommen hätten:
Die Extremisten sind nicht mehr geworden. Aber die schweigende Mehrheit dürfte größer geworden sein, sodass sich die Extremisten gesellschaftlich akzeptierter fühlen. Insofern ist eine atmosphärische Verschiebung durchaus spürbar.
Aufschwung im Hospiz
Als der burgenländische Priester 2004 seine Stelle als Hospiz-Rektor in Jerusalem antrat, lag das Pilgerhaus von den Nächtigungszahlen her am Boden. Die Auslastung betrug zwischen sieben und 15 Prozent. 2004/05 änderte sich mit dem Tod von PLO-Führer Yassir Arafat die politische Situation und die Pilger kamen zurück nach Jerusalem und auch ins Hospiz. Seit damals sind die Nächtigungs- bzw. Besuchszahlen kontinuierlich angestiegen, mit einigen kurzfristigen Einbrüchen. 2018 konnte das Pilger-Hospiz einen Rekordzahl verbuchen, und diese Zahl dürfte 2019 wohl noch übertroffen werden, mutmaßte Bugnyar schon jetzt Ende April.
Auf die Pilger angesprochen meinte Bugnyar, dass wohl niemand nur zum Wellnessurlaub nach Jerusalem komme. "Man stolpert hier fast auf jedem Meter über religiöse Stätten und kann dem Thema Religion nicht entkommen. Immer gibt es daher Anknüpfungspunkte." Es wäre ihm persönlich auch zu wenig, "als Hoteldirektor zu fungieren, dazu bin ich nicht Priester geworden. Wir haben dieses Gästehaus und haben damit einen Auftrag für unsere Pilger und die Menschen in diesem Land."
Zu den "Menschen in diesem Land" gehören auch jene in Gaza, wo ein früherer Rektor des Hospizes, der Südtiroler Georg Gatt, 1879 eine Missionsstation gründete, aus der eine Pfarrgemeinde hervorging. Die Gemeinde führt in Gaza neben der Pfarre bzw. der Pfarrkirche zur Heiligen Familie auch Schulen - deren Schülerinnen und Schüler zu 90 Prozent Muslime sind - sowie einen Kindergarten. Das Hospiz unterstützt die Pfarre bis heute massiv. Soziales Engagement gehöre ganz wesentlich zum Profil des Pilger-Hospizes hinzu, bekräftigte Bugnyar.
"Mit Krieg muss man immer rechnen"
Das Pilger-Hospiz müsse stets vorsichtig budgetieren, erläuterte der Rektor weiter. Schließlich seien gewaltsame Konflikte jederzeit möglich und dann könnten die Pilgerzahlen wieder einbrechen. "Damit muss man hier immer rechnen", so Bugnyar. Deshalb gebe es seit einigen Jahren eine ständige Liquiditätsrücklage von 800.000 Euro, um schwierige Zeiten zu überstehen, das Haus auch bei geringen Einnahmen in Schuss zu halten und die Mitarbeiter weiter beschäftigen zu können.
Wirtschaftlich sah der Rektor die Einrichtung mit der neuen Casa Austria nun auf nachhaltig gesunden Beinen. - Der Zubau zum Hospiz mit 13 neuen Gästezimmern wurde am Donnerstag von Kardinal Christoph Schönborn gesegnet und eröffnet. - Mit 45 Gästezimmern habe man eine entsprechende rentable Größe erreicht. Weitere Erweiterungen wird es wohl aber nicht mehr geben. Nun gehe es vielmehr um die Generalsanierung des Hauptgebäudes. Bugnyar wurde im vergangenen Herbst von der Österreichischen Bischofskonferenz in seinem Amt als Rektor bis 2024 verlängert: "Und bis dahin gibt es noch so einiges zu tun."
Quelle: kathpress