Katholischer Familienverband: Kinderarmut nicht verschärfen
Kinder und Jugendliche sind die Verlierer bei der neuen Sozialhilfe, die künftig die Mindestsicherung ersetzen soll.
An diese bereits Anfang des Jahres zum geplanten Gesetzesentwurf geäußerte Befürchtung hat der Katholische Familienverband Österreichs (KFÖ) am Donnerstag in einer Aussendung erinnert. In dem nun zur Beschlussfassung im Parlament vorliegenden Entwurf sieht KFÖ-Präsident Alfred Trendl eine "Armutsfalle für Mehrkindfamilien". Er bezog sich dabei auf die vorgesehene Staffelung nach der Anzahl der Kinder: Während man für das erste Kind rund 215 Euro im Monat erhält, bekommt das zweite rund 129 Euro, ab dem dritten Kind soll die Sozialhilfe nur mehr 43 Euro pro Monat betragen.
Trendl forderte die Landesregierungen auf, hier für eine soziale Ausgestaltung der noch zu erlassenden Länder-Ausführungsgesetze zu sorgen: "Die von der ÖVP-Seite in Aussicht gestellten Nachbesserungen, dass zusätzliche Unterstützung wie Heizkostenzuschüsse die Sozialhilfe nicht schmälern, sind ein erster wichtiger Schritt", anerkannte Trendl. "Insbesondere bei familiären Härtefällen sollen die Länder eine großzügige Zuwendung ermöglichen." Eine Erhöhung für Alleinerziehende sei zu begrüßen, appellierte Trendl an die Länder, diese als Kann-Bestimmung geplante Erhöhung auch umzusetzen.
Der KFÖ-Präsident forderte dazu auf, bei der weiteren Ausgestaltung vor allem an die Kinder zu denken:
Es muss dafür gesorgt werden, dass die Kinder von Sozialhilfeempfängern verstärkt durch Sachleistungen unterstützt werden und ihnen gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird.
Es dürfe nicht egal sein, wie viele Personen von einem Einkommen leben müssen.
Mit diesem Argument hatte der Katholische Familienverband stets die steuerliche Berücksichtigung von Kindern gefordert, "die erfreulicherweise mit dem seit 1. Jänner dieses Jahres geltenden Familienbonus plus umgesetzt wurde". Dadurch werde der Abstand zwischen steuerpflichtigem Erwerbseinkommen von Familien und dem Bezug von Mindestsicherung ohne Beschäftigung steigen. Was für die Steuer gilt, muss laut Trendl auch für Sozialhilfebeziehende gelten:
Es darf nicht egal sein, wie viele Personen mit einem Einkommen bzw. mit der Sozialhilfe auskommen müssen!
"Leute nicht in den Abgrund treiben"
Ziel des Staates muss es sein, "Existenz und Chancen zu sichern, nicht Leute weiter in den Abgrund zu treiben": Mit dieser Forderung hat die Armutskonferenz am Donnerstag auf die kürzlich von "Statistik Austria" veröffentlichen Daten über Armut und soziale Integration reagiert. Den Daten zufolge waren im Jahr 2018 rund 1.512.000 Menschen armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Auch wenn die Zahl der Betroffenen in den letzten zehn Jahren rückläufig war, braucht es laut der Aussendung des NGO-Netzwerks dennoch einen starken Sozialstaat, um diesen Trend fortzusetzen, die Gefahr eines sozialen Abstiegs zu reduzieren und die Mitte der Gesellschaft vor Armut zu schützen.
Sorgen machten der Armutskonferenz allerdings Bestrebungen der Regierung, explizit jene Sozialleistungen zu kürzen, die sich besonders positiv auf die Situation Betroffener auswirkten. Konkret nannte das mehr als 40 NGOs - darunter etliche kirchliche - umfassende Bündnis etwa das Arbeitslosengeld, die Mindestsicherung sowie die Wohnbeihilfe oder das Pflegegeld. Das gefährde den sozialen Ausgleich und treibe die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander. An die Realität Betroffener angepasste Sozialleistungen würden hingegen armutspräventiv wirken und entscheidend zum sozialen Ausgleich beitragen.
Zwar sei niemand offiziell für Armut, oft werde diese von der Politik allerdings "einfach in Kauf genommen". Alarmiert zeigte sich die Armutskonferenz über die Lage armutsbetroffener Kinder, von Frauen im Alter, älterer Arbeitsloser oder chronisch Kranker. Die Kürzung der Mindestsicherung verschlechtere deren Situation nur noch weiter und führe so zu mehr sozialer Unsicherheit. Ein Viertel aller Armuts- und Ausgrenzungsgefährdeten seien demnach Kinder, in Ein-Eltern-Haushalten lebende seien zu 44 Prozent armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, Familien mit mindestens drei Kindern zu 28 Prozent, verwies das Netzwerk auf die Statistik. Unter den Pensionsbeziehenden seien alleinlebende Frauen mit 29 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich betroffen. Die Reform gefährde allerdings auch die Mittelschicht.
Das hiesige Sozialstaatsmodell versuchte die Mittelschichten zu schützen und möglichst lange zu stützen. Wenn wir jetzt aber dieses vorgelagerte Netz der Notstandshilfe abschaffen, die Arbeitslosenversicherung und die damit verbundenen sozialen Rechte schwächen, gleichzeitig die Mindestsicherung weiter kürzen, dann passiert es, dass Menschen bis weit in die Mittelschicht hinein viel schneller nach 'ganz unten' fallen als früher.
Quelle: kathpress