Stichwort: Österreichisches Pilger-Hospiz
Das Österreichische Pilger-Hospiz in Jerusalem kann auf eine mehr als 150-jährige wechselvolle Geschichte mit vielen Höhepunkten aber auch dramatischen Ereignissen und Rückschlägen zurückblicken. Dabei war die eindrucksvolle Einrichtung mitten in der Jerusalemer Altstadt von den großen geschichtlichen Ereignissen in Europa als auch von regionalen Entwicklungen im Heiligen Land oft doppelt betroffen.
Die Vorgeschichte des Hospizes beginnt in den 1840er-Jahren, als die westlichen Mächte wieder die strategische Bedeutung des Heiligen Landes erkannten, das damals zum Osmanischen Reich gehörte. So wurden zahlreiche europäische Generalkonsulate eingerichtet. Österreich war 1849 an der Reihe.
Da ab diesem Zeitpunkt auch immer mehr Pilger ins Land strömten, wollte jede europäische Großmacht (Frankreich, Großbritannien, Preußen, Russland aber etwa auch Österreich) deren Betreuung in Jerusalem nicht in fremde Hände legen. So kam bald der kirchliche Wunsch auf, für die heimischen Pilger ein eigens "österreichisches" Gästehaus zu errichten.
Die Habsburger wollten zudem auch nicht Frankreich alleine die Aufgabe einer "Schutzmacht" für die katholischen Pilger vor Ort überlassen. Engländer und Preußen fühlten sich vor allem für die protestantischen Pilger und Missionare vor Ort zuständig, Russland naturgemäß für die Orthodoxen, Frankreich übte traditionell die Schutzmachtstellung für die Katholiken aus und Österreich wollte hier eben nicht länger zurückstehen. So hatten der Staat, letztlich in der Person von Kaiser Franz Joseph, und die Kirche in der Gestalt des Wiener Erzbischofs Kardinal Joseph Othmar Rauscher gemeinsame Interessen.
Im Herbst 1853 erteilte Kardinal Joseph Othmar Rauscher dem damaligen österreichischen Konsul in Jerusalem den Auftrag, sich nach einem geeigneten Grundstück für ein Pilgerhaus umzusehen. Auf einer kleinen Anhöhe direkt an der Via Dolorosa wurde der Konsul schließlich fündig. Der Vorteil: Das Grundstück war für einen repräsentativen Bau bestens geeignet. Der Nachteil: Es lag nicht im christlichen sondern im muslimischen Viertel der Altstadt. Der Vorteil überwog. Nach einigen Schwierigkeiten konnte das Grundstück schließlich im Herbst 1855 erworben werden.
Anfang 1856 begannen bereits die Bauarbeiten, die erstens - wie üblich - länger dauerten als geplant und zweitens auch wesentlich teurer wurden als geplant. Aufgrund des instabilen Untergrunds mussten enorme Erdarbeiten vorgenommen bzw. exorbitante Fundamente errichtet werden. Das bedingte eine Redimensionierung des Bauvorhabens. So mussten die ursprünglich vorgesehenen Seitenflügel weggelassen werden und ebenso ein zweites Stockwerk, das dann erst 1932/33 errichtet wurde. Am 19. März 1863 wurde das österreichische Pilgerhaus (Hospiz) schließlich feierlich eröffnet. Und: Man hatte doch noch den Wettlauf mit anderen Staaten gewonnen. Das Österreichische Hospiz ist das älteste nationale Pilgerhaus im Heiligen Land.
Seit der Gründung stand das Hospiz unter dem Protektorat der Monarchie. Es diente zudem auch dem Konsul als Ort für repräsentative Empfänge. Bei der Quartiervergabe wurden Pilger aus Österreich(-Ungarn) bevorzugt. Seit dem Ausgleich 1867 mit Ungarn wurde Wert darauf gelegt, dass auch das Hospiz als eine Einrichtung der Doppelmonarchie wahrgenommen wurde. 1895 wurde das Haus auch offiziell in Österreich-ungarisches Pilgerhaus umbenannt. 1869 besuchte Kaiser Franz Joseph Jerusalem und auch das Hospiz, was für das Prestige des Hauses von großer Bedeutung war.
Krieg, Niedergang und Neuanfang
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war es mit den Pilgerströmen erst einmal vorbei. Dass Österreich-Ungarn zu den Verbündeten des Osmanischen Reiches zählte, änderte für den Status des Hauses im Vergleich zu ähnlichen französischen oder britischen Einrichtungen vorerst nichts. Es war nicht dem direkten Zugriff der osmanischen Armee ausgesetzt. 1916 wurde es, unter Beibehaltung seines kirchlichen Charakters, zu einem Erholungsheim für deutsche und österreichisch-ungarische Soldaten umfunktioniert.
Im Dezember 1917 besetzten schließlich die Engländer Jerusalem. Nach einigen Wochen, im Februar 1918, wurde das Pilgerhaus beschlagnahmt und in ein Waisenhaus für einheimische Kinder umgewandelt. Es unterstand fortan dem anglikanischen Bischof von Jerusalem. Ende August 1919 wurde es schließlich wieder an die österreichische Kirche bzw. den damaligen Rektor Franz Fellinger zurückgegeben. Das Hospiz erholte sich in den kommenden Jahren von der Besatzung und erlebte nochmals eine Blütezeit. Das wurde auch durch die Aufstockung 1932/33 und die damit vergrößerte Zimmerzahl deutlich. Rektor Fellinger genoss höchstes Ansehen in Jerusalem. Er wurde Generalvikar und 1929 Weihbischof des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem.
Mit dem Zweiten Weltkrieg kam dann allerdings der sofortige Einbruch. Schon am Tag der Kriegserklärung Großbritanniens an Hitlerdeutschland am 3. September 1939 wurde das Hospiz beschlagnahmt. Der damalige Rektor Franz Haider wurde inhaftiert und später nach Australien deportiert. Einige Klosterschwestern aus Vöcklabruck durften hingegen im Haus bleiben. Das Haus wurde im Krieg von den Engländern unterschiedlich genutzt: als Polizeistation, Polizeischule oder auch als Internierungslager; nur nicht als Pilgerhaus. Und auch bei Kriegsende gaben die Briten das Haus vorläufig nicht zurück. Erst im April 1948, unmittelbar vor der Unabhängigkeit Israels im Mai 1948, übergaben die Briten das Haus an P. Johannes Sonnen zurück. Sonnen, ein deutscher Lazaristenpater, war eigentlich Direktor der Schmidt-Schule, nahm aber in Vertretung die Interessen des Hospizes gegenüber den Briten wahr. Der eigentliche Rektor war zu dieser Zeit immer noch in Australien.
P. Sonnen reichte das Hospiz an das Rote Kreuz weiter, das ein Lazarett in dem Gebäude einrichtete, in dem man sich um die Opfer des 1948 ausgebrochenen Krieges zwischen Israelis und Palästinensern kümmerte. Ab 1949 war Jordanien die neue Macht in Ostjerusalem und damit auch für das Hospiz zuständig. Die Jordanier verwendeten es weiter als Spital für die Bewohner der Jerusalemer Altstadt. Die Vöcklabrucker Schwestern lebten nach wie vor im Hospiz und betreuten den Garten und die Kapelle.
Und wieder ein Krieg
Viele Bemühungen von Seiten der Kirche, das Hospiz zurückzubekommen, scheiterten. Vor allem auch, weil es das einzige Spital in der Altstadt war. Schließlich kam doch ein Vertrag mit den Jordaniern zustande: Das Haus sollte im Dezember 1967 an die österreichische katholische Kirche, vertreten durch den Erzbischof von Wien als Protektor des Hospizes, zurückgegeben werden. Doch im Juni 1967 brach der Sechstagekrieg aus und alle Mühen waren vergebens.
Israel eroberte u.a. die Altstadt von Jerusalem und das Hospiz befand sich nun im Machtbereich der Israelis, die es auch weiterhin als Spital nutzten. Die Verhandlungen begannen erneut. Mit Hilfe des Jerusalemer Bürgermeisters Teddy Kollek, eines gebürtigen Wieners, der vor den Nazis fliehen musste, kam es schließlich zu einer Vereinbarung. Das Hospiz wurde 1985 vom israelischen Staat an die österreichische katholische Kirche zurückgegeben. Nach umfangreichen Renovierungen konnte es im März 1988 als Pilgerhaus wiedereröffnet werden.
Und eigentlich befand sich die Region damals schon wieder im "Krieg". 1987 war die Erste Intifada ausgebrochen, 1991 der erste Irak-Krieg. Schlechte Voraussetzungen für eine Einrichtung, die auf Pilger angewiesen ist, die wegen der schlechten Sicherheitslage kaum kamen. Das Haus hätte damals ohne finanzielle Unterstützung aus Österreich wirtschaftlich nicht überleben können. Erst im weiteren Verlauf der 1990er-Jahre besserte sich die Situation, nur um dann gleich wieder mit der Zweiten Intifada 2000 und dem zweiten Irak-Krieg 2003 in eine weitere höchst schwierige Phase abzugleiten. Langsam erholte sich das Haus dann aber wieder.
Die "Casa Austria" entsteht
Was bereits in den 1850er-Jahren für große Probleme sorgte, nämlich der instabile Untergrund, wurde 2003 wieder schlagend. Ein Teil der nördlichen Begrenzungsmauer gab nach bzw. stürzte ein. Die Auflagen der Stadt Jerusalem für deren Wiederaufbau und die Konsolidierung des verbliebenen Mauerstücks waren so hoch, dass die Idee eines gleichzeitigen Anbaus geboren wurde.
Dieser neue Trakt - die "Casa Austria" - sollte zu den bestehenden 32 Gästezimmern zwölf weitere Zimmer und einige andere Räumlichkeiten hinzufügen. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg. Es folgte vorerst eine zweijährige archäologische Rettungsgrabung durch alle Schichten der Stadt von den Mamluken bis in byzantinische Zeit, zu deren Funden eine Silbermünze von Kreuzzugskönig Balduin III. sowie das Fragment einer in der Region eher unüblichen Diskusöllampe mit einer Nike-Darstellung gehören. Die Planung und das Genehmigungsverfahren nahmen weitere sieben Jahre in Anspruch, an deren Ende 2016 dann endlich eine Baugenehmigung stand.
Dann wurde aber auch schon - für orientalische Maßstäbe - recht rasch gebaut. Was u.a. auch deshalb nicht ganz einfach war, weil man an das Haus mit großen Transportern bzw. Baumaschinen aufgrund der engen Gassen erst gar nicht herankommt. Also wurde das meiste Baumaterial mit kleinen Traktoren oder gar per Hand befördert.
Die Gesamtkosten für die "Casa Austria" belaufen sich auf 3,4 Millionen Euro und wurden außer durch Spenden u.a. aus Eigenmitteln, aus Mitteln der katholischen Kirche, von den Bundesländern und durch eine Förderung der österreichischen Bundesregierung in der Höhe von 675.000 Euro getragen.
Die Pläne der christlichen "Casa Austria" stammen vom israelischen Architekten Zeev Baran, umgesetzt wurde es vom palästinensischen Bauunternehmen Darwisch aus einem Jerusalemer Vorort. Das Bauprojekt verbindet somit die Völker und Religionen.
Quelle: kathpress