"Ressentiments gegen Religion"
Theologische Fakultäten kritisieren Volksbegehren
"Ressentiments gegen Religion"
Theologische Fakultäten kritisieren Volksbegehren
Erster Gegenwind für das geplante Volksbegehren "Ethik für Alle": Mit einer prononcierten Kritik an der Initiative haben sich die Dekane der Katholisch-Theologischen Fakultäten Salzburg und Wien, Prof. Alois Halbmayr und Prof. Johann Pock zu Wort gemeldet. Das Volksbegehren enthalte zwar durchaus unterstützenswerte Forderungen wie etwa jene nach einer professionellen Ausbildung für das Ethik-Lehrpersonal - es zeuge jedoch insgesamt von einem überholten und von der schulischen Realität nicht gedeckten Religions- und Religionsunterrichtsverständnis und schüre "Ressentiments" gegenüber Religion insgesamt, so Halbmayr und Pock gegenüber "Kathpress".
Der Religionsunterricht werde von Seiten der Initiatoren des Volksbegehrens verzerrt dargestellt - als würden im Religionsunterricht "inhomogene, teils nicht konsensfähige Werte vermittelt" und als würde er "diskriminierend" und ausgrenzend wirken. Dies spiegle "in keiner Weise den Stand der Diskussion und der Ausbildung", so Halbmayr, sondern forciere nur künstlich eine "Frontstellung": "Religionsunterricht gegen Ethikunterricht. Was soll das bringen?"
Im Hintergrund des Volksbegehrens ortet Halbmayr darüber hinaus einen Angriff auf das bisherige österreichische "Kooperationsmodell" zwischen Staat und Religionsgemeinschaften. Das lege u.a. die Tatsache nahe, dass die "Initiative Religion ist Privatsache" mit Eytan Reif hinter dem Volksbegehren stehe. Diese Absicht spreche auch aus der laut Halbmayr irrigen Annahme, "als gäbe es eine reine, objektive, weltanschaulich ungebundene Ethik. Was soll das sein?" Ethik sei immer an Voraussetzungen und Wertvorstellungen gebunden - die Kunst bestehe in der Reflexion dieser Voraussetzungen. Zudem müsse man fragen, warum die Initiatoren eine Gefahr in einer vermeintlichen weltanschaulichen Beeinflussung bei Religionslehrern eher sehen als etwa bei Lehrern, die parteipolitisch oder gewerkschaftlich engagiert seien: "Würde die Gefahr weltanschaulicher Beeinflussung etwa auch zu befürchten sein, wenn ein Gewerkschafter Geschichte und Sozialkunde unterrichtet?"
Unvereinbarkeitsregeln wären diskriminierend
Als offen diskriminierend erachten Halbmayr und Pock die Forderung nach "Unvereinbarkeitsregeln" - also jener Regelung, dass Religionslehrer nicht an der gleichen Schule auch Ethik unterrichten sollten. Auf den Punkt gebracht würde dies bedeuten, dass ein Ethiklehrer etwa persönlich durchaus religiös sein dürfte; "habe ich aber Theologie studiert, mich also viele Jahre und intensiv wissenschaftlich mit meinem Glauben beschäftigt, so darf ich dann nicht mehr an der gleichen Schule Ethik unterrichten?! Das ist doch eine hanebüchene Argumentation", so Halbmayr. "Warum sollte ein Agnostiker der bessere Ethik-Lehrer sein?", fragt entsprechend der Wiener Dekan Pock kritisch an.
Deutliche Kritik äußerte Halbmayr darüber hinaus auch an der Tatsache, dass das Volksbegehren von einem Kollegen aus der eigenen Fakultät - dem Religionspädagogen Anton Bucher - unterstützt wird. Er halte die Unterstützung Buchers für "falsch und kontraproduktiv", so Halbmayr. Buchers Position sei jedoch "eine Einzelmeinung" und spiegele "in keiner Weise die Perspektive der Theologischen Fakultät in Salzburg, auch nicht der anderen Theologischen Fakultäten und Hochschulen". Irritiert zeigte sich Halbmayr außerdem dadurch, dass Bucher sich offenbar intern anders positioniere als in der Öffentlichkeit.
Ethikunterricht weiterentwickeln
Abschließend zeigten sich sowohl Halbmayr als auch Pock "Kathpress" gegenüber zufrieden mit dem nun von der Regierung eingeschlagenen Weg einer stückweisen Einführung eines flächendeckenden Ethikunterrichts als alternatives Pflichtfach. Auch wenn das Modell noch Entwicklungspotenzial biete, sei es prinzipiell "ein Schritt in die richtige Richtung".
Potenzial orteten die Theologen etwa bei der noch nicht gegebenen Gleichrangigkeit von Religions- und Ethikunterricht: "Es gibt kein Opt-In für Schüler, die frei wählen zwischen Ethik- oder Religionsunterricht, sondern ein Opt-Out, also eine Vorrangigkeit des Religionsunterrichts. Das halte ich auf Dauer für problematisch", so Halbmayr. Zugleich wiesen alle drei auf die Notwendigkeit einer dauerhaften Evaluierung, wissenschaftlichen Begleitung und Weiterentwicklung des Ethikunterrichts hin.
Interview mit Dekan Halbmayr im Wortlaut
Quelle: Kathpress