"Glaube ist kein permanenter Kindergeburtstag"
Offen zum Glauben und zur Kirche zu stehen verlangt von Gläubigen heute ein hohes Maß an Mut - und die Erkenntnis, dass "unser Glaube kein permanenter Kindergeburtstag" ist: Das hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler in einem "Live-Chat" der "Tiroler Tageszeitung" am Freitag betont. In dem gut eineinhalbstündigen Chat stellte sich der Bischof den Fragen der User. Er kenne die Erfahrung, sich und seinen Glauben sowie die Kirche gegenüber Anfragen verteidigen zu müssen - dies habe ihn "reifen lassen". Auch habe er dabei immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Menschen es schätzen, "wenn man als Person Profil zeigt" und die eigene Position "nicht versteckt".
Wir haben ohnehin viel zu viele, die nur in der Masse mitschwimmen und nur im Mainstream mitschreien.
Gefragt nach seiner Position zum Zölibat betonte Glettler, dass er ein priesterliches Leben inklusive einem Ja zum Zölibat auch heute noch für möglich und sinnvoll erachtet. Zugleich aber müsse die Kirche "auch über andere Zugänge zum Weiheamt ernsthaft nachdenken". Einen Zusammenhang zwischen Zölibat und Missbrauch, wie er zuletzt immer wieder im Zuge der Berichte über den kirchlichen Missbrauchsskandal hergestellt wurde, sieht Glettler nicht: Dies würde schlichtweg nicht der Faktenlage entsprechend. Sehr wohl hätten sich jedoch in der Vergangenheit "pädophile Männer unter dem Deckmantel des Zölibats gut verstecken können, um letztlich auch an Kinder und Jugendliche heranzukommen." Daher habe man auch die Priesterausbildung in diesen Punkten "wesentlich verschärft", so dass heute in der Kirche "sehr hohe Präventivmaßnahmen und Richtlinien" gelten würden.
Weg vom "Kirchenvereins-Denken"
Weiters erneuerte Glettler seine Unterstützung für die Einführung des Diakonats für Frauen - eine prinzipielle Öffnung der Weiheämter für Frauen jedoch könne sich in der katholischen Kirche auf keine Tradition stützen.
Ich denke, dass wir also insgesamt in dieser Fragestellung aufmerksam vorangehen sollten. Als Bischof ist mir der Dienst der Einheit übertragen worden. Diese darf nicht gefährdet werden.
Angesichts des Gläubigenschwundes und des Rückgangs an Gottesdienstbesuchern warnte der Innsbrucker Bischof die Pfarren davor "in die Falle tappen, den Fernbleibenden oder Nicht-Mehr-Kirchengehern vorwurfsvoll zu begegnen". Wenn jemand in einen Gottesdienst komme, sollte er vielmehr gastfreundlich empfangen werden. Für Jugendliche brauche es neue kreative Möglichkeiten und Freiräume.
Wir müssen von einem zu engen Kirchenvereins-Denken wegkommen. Auch der Gedanke der Stellvertretung ist wichtig: Die kleiner gewordene Gemeinschaft betet und feiert auch stellvertretend für viele. Jeder christliche Gottesdienst ist von einer solidarischen Verbundenheit 'mit dem ganzen Dorf' geprägt.
Nein zu aktiver Sterbehilfe
Gefragt nach der kirchlichen Position in der Frage der Sterbehilfe unterstrich Glettler, dass das Leben auch in extremen Situationen als ein "unverfügbares Geschenk" geschützt bleiben müsse - ansonsten handle man sich dramatische Folgeprobleme ein: "Wer legt denn fest, wann ein Leben nicht mehr lebenswert ist? (...) Und wer entscheidet in den kritischen Fälle, wo die Betroffenen selbst nicht Auskunft geben können? Was wissen wir denn, was sich im Innersten eines Menschen abspielt? Wird es bei der Freigabe der Euthanasie nicht auch ganz gefährliche Momente geben, wo sich die Betroffen genötigt fühlen, der aktiven Lebensbeendigung zuzustimmen?"
Das kirchliche Nein zur aktiven Sterbehilfe gehe aber mit einem "Sterben-Dürfen" einher, räumte Glettler ein: Lebenserhaltende Maßnahmen müssten auch aus kirchlicher Sicht "nicht um jeden Preis" aufrecht erhalten werden. In diesem Kontext dankte Glettler auch für die Arbeit der Hospizeinrichtungen:
Da gibt es in unserem Land eine hohe Kultur der Wertschätzung des Lebens - bis zum natürlichen Ende.
Mehr Klima- und Tierschutz
Mehr kirchliches Engagement mahnte Glettler auch im Blick auf den Tier- und Klimaschutz ein. Der Einsatz der Kirche etwa für eine artgerechte Tierhaltung müsse "klarer hörbar" sein:
Wir müssen auf den Wahnsinn der unnötigen Massentiertransporte quer durch Europa hinweisen und auch noch einige andere Fehlentwicklungen ansprechen, die zum Tierleid beitragen.
Zu einem Wandel könne jeder Konsument allein schon durch sein Kaufverhalten beitragen:
Unsere lokale Landwirtschaft so gut wie möglich zu stützen, ist ein Gebot der Stunde. Wir schulden das auch den Bauern unseres Landes.
Dies wurzle letztlich im Glauben selber, der festhalte, dass es nicht sei, wie man lebt: "Wir werden nicht am Ende des Tages aus dem Sandkasten geholt - ohne Relevanz, ob jemand permanent alles zerstört hat, was andere aufgebaut haben, oder sich konstruktiv verhalten hat. Jeder von uns hat die Verantwortung, mit seinem Leben eine positive Spur zu hinterlassen."
Quelle: kathpress