"Vinzi-Pfarrer" Pucher: Österreich ohne Obdachlosigkeit als Ziel
Wolfgang Pucher, Armenpfarrer und Gründer der "Vinzenzgemeinschaft Eggebenberg - VinziWerke", hat eine Vision: "Ich will alles dazu beitragen, dass es keine inländische Obdachlosigkeit mehr gibt", sagte er am Sonntag in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" anlässlich seines 80. Geburtstag. In Graz sei diese Vision "fast erreicht", in Salzburg befinde man sich auf einem guten Weg dorthin und auch in Wien betreibe die Gemeinschaft bereits vier Einrichtungen. "Ich denke, dass ich das noch erlebe", meinte Pucher zuversichtlich.
Den Österreichern schreibt er im Umgang mit Migranten und Asylwerbern eine offene Haltung zu, die sich etwa bereits 1956 beim Ungarnaufstand oder 2015 bei der Aufnahme zahlreicher Asylweber vor allem aus Syrien oder Afghanistan gezeigt habe. Eine "große Vorbildfunktion" attestiert Pucher hier der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die mit ihrer Prognose "Wir schaffen das" schließlich recht behalten habe.
Überzogene Arten der Zuwendung und des Verständnisses Flüchtlingen und Migranten gegenüber hätten die offene Haltung in der Gesellschaft laut Pucher zwischenzeitlich allerdings kippen lassen und "unausrottbare Hetzer" auf den Plan gerufen, die sich gegen das Fremde und Andersartige gerichtet hätten. Symptomatisch habe sich dieser Wandel etwa in der Schließung der Balkanroute durch Bundeskanzler Sebastian Kurz, in der Umbenennung von Asyl-Erstaufnahmezentren in "Ausreisezentren" durch Innenminister Herbert Kickl, in der Kürzung der Familienbeihilfe für Pflegende aus anderen EU-Ländern, deren Kinder im Ausland leben, oder im neuen Entwurf zur Mindestsicherung bemerkbar gemacht. Halte dieser Trend an, "bringen wir uns um", warnte Pucher. Denn der Wert einer Gesellschaft lasse sich nur am Umgang mit ihren Schwächsten messen.
Mittlerweile nimmt der engagierte Pfarrer aber wieder eine Zunahme an Verständnis Fremden gegenüber wahr.
Ich habe den Eindruck, dass sich das Blatt wendet. Die Leute sehen, dass Merkel recht gehabt hat, verstehen, dass Menschen der Todesgefahr entfliehen. Auch die Armutsflüchtlinge aus Afrika, die sich vor dem Verhungern retten wollen. Die Österreicher spüren das Unmenschliche, Unausstehliche in Viktor Orbans Politik, dass Zäune nicht die Zukunft sind.
Im täglichen Zusammenleben zwischen Einheimischen und Migranten ruft der Armenpfarrer zu gegenseitigem Respekt auf.
Wir müssen Armen gegenüber mehr Toleranz üben als Gleichgestellten oder Höheren und wir können erwarten, dass sie uns entsprechend der Redewendung 'Wie du mir, so ich dir' begegnen.
Für Kirche in kleinen Gemeinschaften
Positiv äußerte sich Pucher zur Karfreitags-Regelung durch die Regierung. Schließlich begehe in Österreich nur mehr eine Minderheit kirchliche Feiertage bewusst als religiöse Feste. Bis auf Weihnachten und das Osterfest "sind die Feiertag doch nichts mehr wert". Er sprach sich deshalb dafür aus, "dass wir bis auf diese beiden Feste alle Feiertage abschaffen".
Die konstante Zahl an Kirchenaustritten erklärt Pucher mit dem Wohlstand der Gesellschaft, "in dem wir ersticken". Die katholische Kirche sei außerdem zu groß geworden, sie habe zwar Dome, prächtige Talarränder oder Monsignore-Titel, dafür aber zu viel Distanz. "An meinen Papst komme ich nicht heran, den Patriarchen von Konstantinopel oder das Oberhaupt der armenisch-apostolischen Kirche habe ich problemlos getroffen", so Pucher. Der Kirche fehle es an Nähe und Menschlichkeit, sie müsse wieder beginnen, wie in der Urkirche kleine Gemeinschaften zu pflegen. Den Petersdom hingegen könne man in ein Museum verwandeln und der Papst gehöre nach Afrika, nach Brasilien, er solle einen wechselnden Sitz haben.
Pucher sprach sich in dem Interview auch dafür aus, leitende Positionen in der Kirche zunehmend für Laien und hier vor allem für Frauen zu öffnen. Das Frauenpriestertum hält er für möglich, den Zölibat wolle er nicht abschaffen, es Priestern aber freistellen, ihn einzuhalten oder nicht.
Die von dem Lazaristenpater gegründete "Vinzenzgemeinschaft Eggenberg - VinziWerke" betreibt Einrichtungen wie "VinziDorf", "VinziNest", VinziBus" oder "VinziShops" in Graz, Wien, Salzburg und in Hostice (Slowakei), wo von Roma-Frauen "VinziPasta" produziert wird. Aktuell sind gibt es insgesamt 39 "Vinzi"-Projekte mit dem Ziel, Bedürftigen unbürokratisch und schnell zu helfen.
Quelle: kathpress