Der Papst setzt auf die Brüderlichkeit aller
"Seid immer den Kleinen und den Armen nahe; denen, die ausgestoßen, verlassen und vergessen sind", mahnt Papst Franziskus in Rabat bei der Abschlussmesse im "Prince Moulay Abdellah"-Stadion vor mehreren tausend Teilnehmern. Er selbst ging zuvor mit gutem Beispiel voran: Am Sonntagmorgen besuchte er ein Sozialzentrum rund 20 Kilometer südlich von Rabat. Etwa 50 Leute waren dort, Franziskus begrüßte viele persönlich. Im direkten Kontakt mit den Menschen ist er in seinem Element - auch beim anschließenden Treffen mit Ordensleuten, Priestern, Bischöfen und Ökumene-Vertretern aus Marokko in der Kirche von Rabat.
Die hinteren Bänke der Kathedrale sind teilweise leer. So etwas sollte Christen, sagt der Papst hier, auch wenn sie wie in Marokko eine kleine Minderheit bilden, nicht stören: Ihr Wirken hänge nicht davon ab, wie viel Raum sie besetzten, "sondern von der Fähigkeit, Verwandlung, Erstaunen und Mitleid zu bewirken", so Franziskus. Dabei spricht er nicht von der Kanzel, sondern sitzt an einem Tisch vor dem Altar, flankiert von den zwei spanischen Erzbischöfen der einzigen Diözesen Marokkos, Rabat und Tanger.
Eine besondere Geste ist die Begegnung des Papstes mit dem 95-jährigen Trappisten Jean-Pierre Schumacher, dem letzten Überlebenden des Massakers von Tibhirine. Einige Worte wechselt der Papst auch mit Ökumene-Vertretern, etwa der evangelischen Pastorin Karen Thomas Smith, Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Marokko. Wie am Vortag wirbt Franziskus für die "Brüderlichkeit aller Menschen".
Dialog mit dem Islam und anderen Religionen, Brüderlichkeit aller: der rote Faden der Marokko-Reise, den Franziskus bereits in Abu Dhabi gesponnen hatte. Dort unterzeichnete er Anfang Februar mit dem Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universität, Ahmad Al-Tayyeb, eine muslimisch-christliche Erklärung. Aus dieser zitierte Franziskus auch in Marokko immer wieder.
Zugleich setzte er dort einen neuen Akzent: Auch in Rabat unterzeichnete er am Samstag überraschend eine gemeinsame Erklärung. Diesmal mit dem König des Landes, Mohammed VI., zur Wahrung des Sonderstatus von Jerusalem als Heilige Stadt der monotheistischen Religionen.
Der Monarch demonstrierte auch sonst viel Einigkeit mit Franziskus. Dennoch wurden am Samstag auch Divergenzen deutlich: Religionsfreiheit sprachen beide in ihrer ersten Rede an, der Papst legte diese jedoch deutlich umfassender aus. Auch auf Migration ging Franziskus in dieser Rede schon ein, der König hingegen nicht.
Fast alle Termine am Samstag absolvierten beide gemeinsam. Den letzten Programmpunkt, eine Begegnung mit Migranten, ließ der König jedoch aus. Örtliche Medien übertrugen die Begegnung am bescheidenen Sitz der Caritas Rabat nicht, wohl aber den vorigen gemeinsamen Besuch bei einem vom König geförderten Ausbildungszentrum für muslimische Prediger und Predigerinnen.
Franziskus macht in Marokko deutlich, dass Solidarität für ihn nicht nur im Zusammenhang mit dem Islam wichtig ist - sie muss auch für Migranten gelten: "Bleibt denen nahe, die so oft auf der Strecke bleiben, den Kleinen und Armen, den Gefangenen und Migranten", mahnt er am Sonntag in der Kathedrale von Rabat. Diese Worte spricht er in Marokko, der Brücke Afrikas nach Europa. In einem Land, in dem die meisten Katholiken Migranten sind und viele Menschen aus der Subsahara, die gern nach Europa gehen würden, am Ende aufgrund dessen zunehmender Abschottung doch bleiben.
In diesem Kontext hat auch die Frage, die der Papst in der Abschlussmesse stellt, einen besonderen Klang:
Wer hat das Recht, bei uns zu bleiben, einen Platz an unseren Tischen und in unseren Versammlungen, in unseren Sorgen und Aufgaben, auf unseren Plätzen und in unseren Städten zu finden?
Seine Antwort ist klar, er gab sie am Samstag beim Treffen mit Migranten: "Jeder hat ein Recht auf Zukunft". Franziskus mahnte sichere, geordnete und geregelte Migration an. Die von ihm vorgegebene Maxime, zu schützen, zu fördern und zu integrieren müsse "Orientierungsrahmen für alle" sein, so der Papst. Franziskus nimmt jeden in die Pflicht. Und am Sonntag ermutigt er noch einmal alle zu christlichem Handeln:
Das Problem ist also nicht, wenige zu sein, sondern unbedeutend.
Franziskus bestärkt in Marokko: Wer die christliche Nächstenliebe lebt, kann auch im Kleinen Großes bewirken. Sei es für Migranten, sei es im Dialog mit anderen Religionen.
Quelle: kathpress