Marokko tut sich schwer mit der Religionsfreiheit
Der König von Marokko regiert als absoluter Herrscher, legt aber Wert auf ein modernes Image. Den Islam will der 55-jährige Mohammed VI. reformieren im Zeichen von Aufklärung und Toleranz. So berief er 2016 Hunderte muslimische Gelehrte aus aller Welt nach Marrakesch, um über den Umgang mit religiösen Minderheiten zu sprechen. Doch von echter Religionsfreiheit ist sein eigenes Land noch weit entfernt. Beim bevorstehenden Besuch von Papst Franziskus am 30. und 31. März dürfte das Thema eine Rolle spielen.
In Marokko leben neben 99 Prozent sunnitischen Muslimen laut dem Hilfswerk "Kirche in Not" gerade 40.000 meist ausländische Christen, der Vatikan spricht von 23.000 Katholiken. Ihren Glauben dürfen sie unter Auflagen praktizieren.
Anders sieht es für marokkanische Konvertiten aus, von denen es einige Tausend geben soll. Zwar steht der Glaubenswechsel seit 2017 nicht mehr unter Strafe. Aber wie fast überall in der islamischen Welt gilt er als schwerer Verstoß gegen die gesellschaftliche Norm und ist mit sozialer Stigmatisierung bis hin zum Jobverlust bedroht. Schließlich ist der Islam Staatsreligion. Wer ihm den Rücken kehrt, riskiert auch, dass sich die Familie von ihm abwendet.
Viele Konvertiten halten den Wechsel lieber geheim oder sie werden von den Behörden drangsaliert. So sollen Polizisten marokkanische Christen schon am Betreten von Kirchen gehindert haben; christliche Taufnamen werden nicht akzeptiert, Ehen zwischen Christen und Musliminnen oder Bestattungen auf kirchlichen Friedhöfen nicht erlaubt. Die Kirchengemeinden sind angewiesen, keine Marokkaner aufzunehmen. Aktives Missionieren ist offiziell verboten, darauf stehen bis zu drei Jahre Haft. Verurteilungen kamen lange nicht vor, aber mehrfach hat die Regierung in den vergangenen Jahren evangelikale Missionare ausgewiesen.
Über Jahrhunderte war Marokko islamischer Frontstaat gegen das christliche Europa, zugleich herrschte ein reger Austausch mit dem Norden. Nach der arabischen Eroberung des oberflächlich christianisierten Landes im 8. Jahrhundert drangen muslimische Berber von hier nach Spanien vor. Glaubenseiferer wie die Bewegungen der Almoraviden und Almohaden warfen sich im 11. und 12. Jahrhundert der christlichen Reconquista entgegen, die den Islam wieder auf Marokko zurückdrängte.
Die katholische Kirche verzichtet hier wie in anderen islamischen Ländern auf aktive Glaubenswerbung. Anders hätte sie ihre Existenz nach Ende der französischen und spanischen Kolonialherrschaft kaum sichern können. Damals lebten rund eine halbe Million Katholiken in Marokko, Siedler und Einheimische. Nach Marokkos Unabhängigkeit 1956 wanderten die meisten aus, ebenso wie die allermeisten Juden im Zuge des Nahostkonflikts.
Die Kirche ist bemüht, ihr Image als Religion der einstigen Kolonialherren abzustreifen und engagiert sich im Bildungs- und Sozialbereich. Landesweit gibt es 15 katholische Schulen mit 15.000 Schülern, von denen die meisten laut "Kirche in Not" Muslime sind. Die Caritas unterhält Stationen in mehreren großen Städten und kümmert sich unter anderem um afrikanische Migranten, darunter viele Katholiken.
Das karitative Engagement ist ein Grund, warum die meisten Marokkaner der Kirche mit einem gewissen Respekt begegnen - ein anderer das staatliche Vorgehen gegen den islamischen Extremismus. Imame werden überprüft, Freitagspredigten kontrolliert. König Mohammed VI. führt den Titel "Beherrscher der Gläubigen" und lässt sich als Nachfahre des Propheten verehren. Wer seiner religiösen Autorität Konkurrenz macht, landet schnell im Gefängnis.
Trotzdem ist der Monarch in seinen Entscheidungen nicht völlig frei. Sein Reformwille in Fragen der Toleranz muss die Grenzen der traditionellen malikitischen Rechtsschule beachten. Der Trend zu mehr Religionsfreiheit und Dialog sei zwar spürbar, urteilt Kirche in Not. Gleichzeitig nähmen aber in der marokkanischen Gesellschaft konservative Einstellungen wieder zu. Mehr Freiräume für Andersgläubige, insbesondere Konvertiten, sind aus Sicht des Hilfswerks noch weit entfernt. Daran dürfte auch der Besuch von Papst Franziskus nicht viel ändern.
Quelle: kathpress