Katholische Frauenbewegung gegen Regierungspläne zu Sozialhilfe
Die Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfbö) übt massive Kritik an den vorliegenden Regierungsplänen zur "Sozialhilfe neu", die Ende Mai im Nationalrat beschlossen werden soll. Besonders Kinder und Migranten seien von Verschlechterungen gegenüber der bestehenden Mindestsicherung stark betroffen, aber auch Frauen insgesamt, da diese in unterschiedlichen Lebensphasen häufiger als Männer auf ein tragfähiges unterstes Netz angewiesen sind, erklärte kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner am Dienstag via Aussendung. Frauen stünden weniger Mittel zur Verfügung, "weil sie unbezahlte Sorge-Arbeit machen, deswegen häufig nur Teilzeit arbeiten, weil sie in schlecht bezahlten Frauenbranchen arbeiten und infolge ein geringeres Arbeitslosengeld oder weniger Notstandshilfe erhalten".
Vor allem alleinerziehende Frauen mit ihren Kindern gehörten zu den am stärksten von Armut gefährdeten und betroffenen Gruppen in der Gesellschaft, so Pernsteiner. Dass mit dem Konzept der "Sozialhilfe neu" hier nicht klar Partei ergriffen werde, ist für die Katholische Frauenbewegung "absolut nicht nachvollziehbar". Die kfbö verweist hierzu etwa auf die Zuschläge für Alleinerziehende, deren Zuerkennung im Ermessen der Bundesländer liegt. Hier werde mit einer "Kann-Bestimmung" Unsicherheit geschaffen. Kritisch äußerte sich die Frauenbewegung auch zu den sinkenden Mindestsicherungssätzen bei steigender Kinderzahl. Diese Regelung widerspreche dem Grundsatz, nachdem jedes Kind gleich viel wert sei. Armut beraube Kinder ihrer Chancen und prolongiere den Bedarf an Unterstützung. Es sei daher schon aus volksökonomischer Sicht sinnvoll, Kinderarmut zu vermeiden, so die kfbö.
Gleiches gelte für die Integration von Zuwanderern:
Menschen von existenzsichernden Leistungen auszusparen, solange sie nicht Deutsch auf einem Niveau von B1 sprechen, hilft diesen nicht, sich schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren und auf eigene Beine zu kommen.
Gleichzeitig Deutschkurse zu kürzen, sei perfide, kritisierte Pernsteiner.
"Nachvollziehbar" ist für die Katholische Frauenbewegung ein notwendiger Abstand zwischen Leistungshöhe im untersten sozialen Netz und Lohnarbeit. Dafür dürften aber nicht die Sozialleistungen gesenkt werden, vielmehr müssten Löhne entsprechend angehoben werden, fordert die kfbö. Das betreffe vor allem Frauenbranchen. Zusätzlich bedürfe es einer geschlechtergerechten Verteilung von bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Sorge-Arbeit, einer generellen Verkürzung von Erwerbsarbeitszeit sowie des Ausbaus der sozialen Infrastruktur.
Entwurf geht an Lebensrealität vorbei
Der Entwurf gehe insofern "wissentlich und willentlich an der Lebensrealität von Menschen vorbei", laufe den Erkenntnissen einer Armutsforschung zuwider und ignoriere jene Verpflichtungen, die Österreich im Rahmen der "Europa 2020-Strategie zur Armutsvermeidung" eingegangen sei, betonte die kfbö-Vorsitzende.
Der Entwurf sei vielmehr ein "Baustein der Armutsproduktion", der die Menschenwürde insbesondere von Kindern, Frauen oder Migranten missachte und weit dahinter zurück bleibe, die Existenz von Menschen zu sichern, so Pernsteiner, die einen "weiteren Schritt auf dem Weg zur Aushöhlung des Sozialstaates" sieht.
Kritik übte die Katholische Frauenbewegung auch am bisherigen Vorgehen der Regierung, die bei der Vorbereitung des Gesetzesentwurfs "die Expertise von mehr als 140 Fachleuten und Organisationen weitgehend ignoriert" habe. Das sei nicht nur "demokratiepolitisch fragwürdig", sondern ein "Akt des Zynismus".
Pernsteiner appellierte an die politischen Verantwortungsträger, ein unterstes soziales Netz sicherzustellen, auf das ein Rechtsanspruch aller in Österreich lebender Menschen bestehe und das Leistungen biete, deren Höhe sich an der Armutsgefährdungsschwelle laut der "Europäischen Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen" orientiere.
Eine Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie sie mit den Schwächsten umgeht.
Ziel eines untersten Netzes sollte es sein, Menschen aufzufangen und soweit zu stärken, dass sie den gesellschaftlichen Anschluss nicht verlieren und zu Unabhängigkeit und eigenständiger Sicherung ihrer Existenz zurückfinden können, so die kfbö-Vorsitzende.
Das funktioniert nicht, wenn Menschen in Armut getrieben oder gehalten werden.
Pernsteiner plädierte für einen Perspektivenwechsel: "In einem der reichsten Länder der Erde, in dem die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht, ist es eine Frage der Umverteilung, dass die entsprechenden Töpfe gefüllt sind." Es brauche eine umfassende Steuerreform, die öko-sozial und geschlechtergerecht sei, denn immer noch zähle Österreich im europäischen Vergleich zu den Schlusslichtern bei den Vermögenssteuern.
Ein starker Sozialstaat ist leistbar, die Sicherung des Mindesten aller in Österreich lebender Menschen ebenso.
Quelle: kathpress