Glettler plädiert für "Koalition" zwischen Kunst und Kirche
Kunst und Kirche sind in vielerlei Hinsicht potenzielle Partner für eine "Koalition". Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler sieht Ansätze dafür vor allem in den Kontrapunkten beider zur "Banalisierung des Lebens" und zum "fatalen Druck der totalen Ökonomisierung", wie er in einem Interview für die aktuelle Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche" erklärte. Kunst könne die Probleme von Kirche und Gesellschaft nicht lösen und sei "weder innerhalb noch außerhalb kirchlicher Kontexte ein Allheilmittel gegen alle möglichen Probleme", so Glettler. "Will sie auch nicht sein."
Auch wenn zeitgenössische Kunst "leider zu einem nicht geringen Teil auch Spekulationsgut" geworden sei, sei sie kein "oberflächlicher Dekor für einen bürgerlichen Lebensstil", sondern berge "hohes Potenzial zur Stärkung des Menschen". Nach der Überzeugung des früher selbst künstlerisch wirkenden Bischofs macht Kunst "widerständig gegen die Vereinnahmung von allen möglichen Halbgöttern und Ideologien, denen wir sehr gerne aufsitzen".
Speziell die "ästhetische Kargheit der Fastenzeit" eignet sich laut Glettler für die Einladung zeitgenössischer Kunstschaffender. Ihre Arbeiten könnten im kirchlichen "Betrieb" stören, aber auch zum Wesentlichen hinführen. Er habe der Initiative "Kunstraum Kirche", die sich zur Fastenzeit seit Langem um gute Kunstinterventionen im Innsbrucker Jakobsdom bemüht, heuer den steirischen Künstler Manfred Erjautz vorgeschlagen, berichtete Glettler. In Innsbruck sind nun zwei Erjautz-Skulpturen zu sehen: im Dom eine Licht-Installation, bei der ein beleuchtetes, von der Decke herabhängendes "ME" (engl.: Ich) am Boden zum "WE" (Wir) wird; und in der Spitalskirche der Corpus des Gekreuzigten als Stundenzeiger, sein linker Arm für die Anzeige der Minuten, der rechte bewegt sich im Sekundentempo. "Der tödlich verwundete Körper dreht sich", so Glettler dazu. "Die statische Gestalt des Geschundenen ist somit nicht das letzte Bild."
"Platzhalter für den unbegreifbaren Gott"
Für den Bischof und ausgebildeten Kunsthistoriker ist Kunst somit auch "ein Platzhalter für ... den unbegreifbaren ... Gott". In diesem Sinne habe Kunst in der Kirche auch eine "heilige" Funktion. "Kunst mahnt Themen ein, die man gerne verdrängt oder erledigt hätte", legte Glettler dar. Ein ehrlicher Umgang mit Kunst sei eine "Schule gegen Selbstgefälligkeit, Hochmut und theologische Biederlichkeit". Und: Seriöse Kunst stelle auch den "metaphysischen Kuschelkurs in so mancher Spielart von Spiritualität" in Frage.
Bischof Glettler ist seit November in der Bischofskonferenz zuständig für die Kunst. Dabei wolle er die vielfältigen Erfahrungen, die er als selbst künstlerisch Tätiger und z.B. durch wegweisende Kirchenraumgestaltungen in seiner früheren Pfarre Graz-St.Andrä sammelte, einbringen. Seiner Überzeugung nach braucht es beides: "die Tradition lebendig halten und anschlussfähig für das Heute zu sein".
Quelle: kathpress