Legalisierungs-Bestrebungen stoßen auf Widerstand
Die österreichische Regierung steht bislang zu ihrem Bekenntnis zu Hospiz- und Palliativpflege sowie zu ihrer Ablehnung zur Suizidbeihilfe - auch vor dem Hintergrund von Musterprozessen, mit denen der umstrittene Schweizer Sterbehilfe-Verein Dignitas hierzulande eine Legalisierung der Sterbehilfe erreichen will: So hat das Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) am Mittwoch den Stand der Debatte zusammengefasst. Aktuell ist das Thema derzeit jedoch insofern, als der Wiener Anwalt Wolfram Proksch auf Betreiben von Dignitas in den kommenden Wochen mit einer Klage beim Verwaltungsgerichtshof das geltende Sterbehilfe-Verbot zu Fall bringen will.
Für die Legalisierungs-Vorstöße auf politischem Weg sei es der zuständige Justizminister Josef Moser (ÖVP) gewesen, der die von den NEOS entfachte Debatte über eine Änderung des Verbotes der Beihilfe zur Selbsttötung vorerst beendet hatte, heißt es in dem IMABE-Bericht. Deren Entkriminalisierung sei "in Österreich kein Thema", sagte der Minister als Antwort auf eine am 27. Februar im Nationalrat behandelte Petition. Moser verwies in seiner Stellungnahme auf die einstimmig beschlossenen Empfehlungen der Enquete "Würde am Ende des Lebens" von 2015; im Fokus stünde der Ausbau von Hospiz- und Palliativpflege.
Ebenso ablehnend äußerte sich Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ): Der assistierte Suizid sei weiterhin in Österreich nicht annähernd konsensfähig, aktive Sterbehilfe daher im Strafgesetzbuch unter Mord, Tötung auf Verlangen oder Mithilfe am Selbstmord weiterhin strafbar. Hartinger-Klein verwies auf die Novellierung des Ärztegesetzes 2018, die in § 49a die Beistandspflicht des Arztes normierte und es zugleich als zulässig erklärte, Sterbenden im Rahmen palliativmedizinischer Indikationen Schmerzen und Qualen auch mit Maßnahmen, die eine Lebensverkürzung zwar nicht beabsichtigen, jedoch als Nebenwirkung in Kauf nehmen, zu lindern. Weiterhin bleibe aktive Sterbehilfe verboten, unterstrich die Ministerin zugleich.
Folgenlos für Gesellschaft?
Rechtsanwalt Proksch, der u.a. einen an Multipler Sklerose erkrankten 54-jährigen Burgenländer vertritt, der das Recht auf Beihilfe zur Selbsttötung einfordert, hatte zuletzt in einem Interview in den "Salzburger Nachrichten" (16. Februar) erklärt, Beihilfe zum Suizid würde "der Gesellschaft weder im Großen noch im Kleinen Schaden antun". Er halte das Argument, wonach eine Legalisierung der Sterbehilfe Druck auf ältere Menschen erzeugen würde, für "verlogen", da es keine nachweisbaren Fälle gäbe, in denen ein Betroffener gedrängt worden wäre, sich das Leben mit Hilfe anderer zu nehmen, um Angehörige oder den Staat zu entlasten.
Susanne Kummer, Geschäftsführerin des Bioethikinstituts IMABE, widersprach am Mittwoch dieser Darstellung: Aus Ländern mit legalisierter Sterbehilfe gebe es sehr wohl dokumentierte Beispiele - darunter etwa im US-Bundesstaat Oregon, wo zwei Krebspatienten, die nur über die staatliche Krankenversicherung Medicaid verfügten, per amtlichem Schreiben die zu teure Chemotherapie verweigert und gleichzeitig ein assistierter Suizid als Alternative angeboten worden war. Beide hätten jedoch leben und behandelt werden wollen. Erst als der Fall 2009 an die Öffentlichkeit gekommen sei, habe man ihm eine Chemotherapie zugestanden.
"Angesichts dieser Fälle ist es naiv zu glauben, dass eine Legalisierung der Sterbehilfe keinerlei Auswirkung auf das Vertrauen in die Arzt-Patienten-Beziehung hat", betonte die Wiener Bioethikerin Kummer. Kanadische Gesundheitsökonomen würden bereits vorrechnen, wie viel Geld durch Tötung auf Verlangen dem Gesundheitssystem eingespart werden können. Patienten bekommen dort einer aktuellen Studie zufolge Euthanasie angeboten, bevor sie noch über eine adäquate palliative Versorgung informiert worden sind. In den Niederlanden treten reihenweise Ethiker aus den Sterbehilfe-Kommissionen aus, weil sie sagen, dass das System entgleist sei, berichtete Kummer:
Der Suizid mit ärztlicher Hilfe ist nie bloß eine individuelle Tat, sondern immer eine soziale und hat daher gesellschaftliche Folgen. Niemand lebt für sich allein, niemand stirbt für sich allein.
Quelle: kathpress