Zsifkovics-Aufruf zu verantwortungsvoller Stimmabgabe
Europa braucht "eine Politik des Konstruktiven und der Inklusion und nicht der Spaltung und der Ausgrenzung": Das betont "Europabischof" Ägidius Zsifkovics in einer Aussendung der Diözese Eisenstadt. Er wolle deshalb gemeinsam mit allen EU-Bischöfen "nicht nur an Katholiken, sondern an alle Menschen guten Willens" appellieren, an den kommenden Europawahlen teilzunehmen und ihr Stimmrecht verantwortungsvoll wahrzunehmen. Zsifkovics:
Es geht uns darum, das Mitbauen am Gemeinwohl im gemeinsamen Haus Europa nicht nur als staatsbürgerliche Möglichkeit aufzufassen, sondern als christliche und als ganz allgemein menschliche Pflicht.
Der Eisenstädter Bischof ist in der Österreichischen Bischofskonferenz für Europafragen zuständig und nahm in dieser Funktion vergangenen Woche an der Vollversammlung der der EU-Bischofskommission ComECE in Brüssel teil.
Zsifkovics räumte ein, dass es nach der Wahl dazu kommen könnte, "dass euroskeptischere Stimmen am Ruder sind". Es werde dann die wichtige Aufgabe sein, als ComECE auch mit neuen politischen Vertretern und Funktionären ins Gespräch zu kommen und einen intensiven Dialog zu führen, in dem christliche Werte nicht zu kurz kommen, so der Bischof und weiter wörtlich:
Die Kirche ist die einzige Organisation, die durch die Jahrhunderte geht. Sie wird auch noch da sein, wenn einzelne politische Protagonisten und Parteien, Staaten und wirtschaftlich-politische Zusammenschlüsse nicht mehr da sind.
Daher habe die Kirche die Pflicht und Verantwortung, die Menschen zu begleiten. Vor allem in dieser jetzigen schwierigen Situation.
Die christliche DNA heiße "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!" In Zeiten der Destabilisierung zwischen Staaten würden sogar kirchenskeptische politische Kräfte die Wichtigkeit dieser DNA erkennen. Zsifkovics:
Indem die Kirche alle Menschen als Kinder Gottes in Erinnerung ruft, ermahnt sie ja auch die Staaten, einander als Geschwister zu betrachten, die in allen Entscheidungen immer auch das Interesse unseres ganzen Kontinents und letztlich der gesamten Menschheit im Auge behalten müssen.
Ende des Jahrhunderts würden die Europäer 4 Prozent von 10 Milliarden Erdbewohnern ausmachen, hielt der Bischof fest. Nachsatz: "Wir werden also auch geopolitisch bescheidener werden müssen." In die nationalen Strukturen zurückzufallen, wäre eine völlige Selbstaufgabe. "Wir können in Zukunft nur mehr als europäische Einheit bestehen", so Zsifkovics. Diese Einheit müsse aber, um Bestand zu haben, "einem Mosaik gleichen, nicht einem Cocktail".
Zur Frage, wie die ComECE mit dem Brexit umgeht, meinte der Bischof wörtlich: "Sie begegnet ihm mit dem Geist der Einheit als Gegengift gegen jegliche Form der Spaltung." Als "Zeichen, dass Einheit und nicht Trennung die Leitlinien des christlichen Menschenbildes in Europa sind", habe die ComECE beschlossen, dem Szenario des Brexit auf kirchlicher Ebene das einzig vernünftige Gegenmodell gegenüberzustellen: Die Bischöfe Großbritanniens würden auch in Zukunft ihren Platz in der ComECE-Versammlung haben. "Dort, wo die politische Vernunft versagt, müssen wir als Kirche positiv vorangehen", so Bischof Zsifkovics wörtlich.
Europa braucht Familienaufstellung als Therapie
Zur immer wieder beschworenen "Seele Europas" hielt er fest, diese liege in den geistigen Quellen, deren Wasser die europäische Kultur geformt hat und den Kontinent weiterhin in feinen Adern durchströmt. "Diese Strömungen lassen sich festmachen an bestimmten Orten, Erzählungen und Personen", so der Bischof. Europa habe diese Orte, Erzählungen und Personen, von denen es abstammt, aber weitgehend vergessen und "bräuchte dringend eine Familienaufstellung als Therapie".
Zsifkovics: "Die EU erweist sich zunehmend als religionsblind und kann mit ihrer juristischen Technik, ihrer rechtsstaatlichen Denkweise und Arbeitssprache größtenteils nur dann mit dem Glauben des Menschen etwas anfangen, wenn sich Bezüge zum Binnenmarkt ergeben." Doch das ganze europäische Menschenbild sei ohne das christliche Konzept der menschlichen Seele und ihres heiligen Wertes nicht vorstellbar.
Ohne Golgotha keine Auferstehung und ohne Auferstehung keine göttliche Würde des Menschen! Genau davon zeugen die Erzählungen, Orte und Persönlichkeiten, die Europas Seele sichtbar machen. Dieses Salz muss in der europäischen Suppe spürbar bleiben!
Der Bischof verwies auf die sechs Heiligen Europas: Benedikt von Nursia, Kyrill und Methodius, Birgitta von Schweden, Caterina von Siena und Edith Stein.
Sie stehen stellvertretend für die vielen Frauen und Männer, die in den verschiedensten Epochen unseres Kontinents Europas Menschenbild mitgeformt haben. Diese Damen und Herren sind unbedingt zur Familienaufstellung einzuladen.
Die Programmschrift, nach der sie lebten, sei das Evangelium. Dieses gehöre gemeinsam mit dem Alten Testament und den Epen Homers zu den gestaltenden Texten des Kontinents, "ebenso wie die großen Gesetzestexte, die Werke der Aufklärung, die Klassiker der Literatur", betonte Zsifkovics:
Europa beginnt also nicht bei Jesus Christus, es wird aber zugrunde gehen, wenn es die Anthropologie des von Gott geschaffenen, bedingungslos geliebten und mit einer unsterblichen Seele und Würde ausgestatteten Menschen über Bord wirft.
Quelle: kathpress