Schönborn: Traiskirchen-Umbenennung "Akt der Brutalität"
Kardinal Christoph Schönborn hat bei einem Podiumsgespräch der Allianz "Menschen.Würde.Österreich" am Samstag im Wiener Erste-Campus über ein jüngstes Gespräch mit einem Regierungsmitglied berichtet, bei dem ihm die Frage "Was erwarten Sie von der Regierung?" gestellt worden sei. Er habe geantwortet: "Zuerst einmal Behutsamkeit in der Sprache". Der Wiener Erzbischof äußerte in diesem Zusammenhang Empörung über die jüngst erfolgte Umbenennung des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen in "Ausreisezentrum". Diese Sprachverordnung sei "ein Akt der Brutalität".
Schönborn erinnerte an die Rede von Andre Heller beim Staatsakt am 12. März 2018. Heller habe auf die Existenz der "Weltmuttersprache Mitgefühl" hingewiesen. "Das ist eine Sprache, die jeder Mensch in der Welt versteht. Werden wir diese Sprache verlernen? Oder werden wir sie praktizieren?", fragte der Kardinal.
Generalthema der Podien der von Christian Konrad geleiteten Allianz war "Neues Miteinander - Chancen und Herausforderungen in Kommunen und Religionen". Die Theologin Regina Polak und der frühere Diakonie-Direktor Michael Chalupka gingen auf die Instrumentalisierung vorhandener Ängste in Richtung Ausländerfeindlichkeit ein. Politik und Medien würden ein Auseinanderdividieren der Menschen betreiben. "Es braucht Behutsamkeit in der Sprache, und es braucht darüber hinaus ein Wahrnehmen des Gemeinsamen", so Chalupka.
Er äußerte auch Kritik an der abwertenden Behandlung der evangelischen Minderheit durch Bundeskanzler Sebastian Kurz im Zuge der Karfreitagsregelung, wo dieser eine seiner Ansicht nach zufriedene 96-Prozent-Mehrheit einer unzufriedenen 4-Pozent-Minderheit entgegengestellt hatte. "Nicht glücklich" mit der Karfreitags-Lösung zeigte sich auch Schönborn, den vor allem den Vorschlag des Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Kapsch über eine Umwandlung aller Feiertage in Urlaubstage ärgerte. Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), Ümit Vural, unterstützte die Position Chalupkas und betonte, ein freier Karfreitag für alle wäre wohl im Sinne des Europäischen Gerichtshofs gewesen.
Unverständnis für Religion wächst
Regina Polak wies darauf hin, dass sich in diesem Konflikt bereits jenes Problem abzeichne, das den Religionsrechts-Diskurs insgesamt in Zukunft immer stärker prägen werde - nämlich das generelle Unverständnis für Religion in der jungen, gebildeten Generation im Gegensatz zu Verständnis für Religion unter den in der Religion sozialisierten meist älteren Menschen.
Hier zeichneten künftige Konflikte ab - auch im Blick auf religiöse Zeichen, Kleidungen und Praktiken. Es gebe immer Menschen, die unter Religionsfreiheit ausschließlich verstünden, "nicht gestört werden zu wollen".
Kardinal Schönborn sagte, man müsse dennoch für eine säkulare Gesellschaft plädieren, denn nur sie ermögliche Religion in Freiheit und ohne Zwang. "Säkularität ist eigentlich ein gutes Biotop für Religion", so der Wiener Erzbischof. Voraussetzungen seien allerdings, dass Religion argumentativ sei, dass sie sich dem gesellschaftlichen Diskurs stelle und dass sie keine Scheu habe, kritische Fragen an die "Säkularen" zu stellen.
Kritik übte der Kardinal an den politischen Vereinnahmungen von religiösen Traditionen, um andere auszugrenzen. "Das Evangelium ist keine Kampfmaßnahme gegen Andersdenkende", hob er hervor. Die Grundform, Probleme in der Gesellschaft auszuhandeln, sei der Dialog. Abschottung schade hingegen allen in der Gesellschaft.
Im Blick auf die Asylpolitik zeigte sich Schönborn dankbar für viele Äußerungen "vernünftiger Emotion", zuletzt in Form einer Demo von 900 St. Pöltner HTL-Schülern, wie der Wiener Erzbischof berichtete. Die Schulkollegen hatten gegen die Abschiebung eines bestens integrierten afghanischen Mitschülers demonstriert: "Was um Himmels willen soll mit dieser Abschiebung erreicht werden? Etwa der 'Schutz des Rechtsstaats'?" Für den Schutz der Menschenwürde ist laut Schönborn beides notwendig, Vernunft und Emotion.
Er erinnerte an das Wort von Papst Franziskus, der die an Moses gerichtete Aufforderung Gottes aus dem brennenden Dornbusch, "Zieh deine Schuhes aus, denn du betrittst heiligen Boden", auf den Mitmenschen bezogen hatte: "In der Begegnung mit einem anderen musst du die Schuhe ausziehen, denn du betrittst heiligen Boden."
Schatten von Christchurch
Überschattet wurde die von der Allianz "Menschen.Würde.Österreich" ausgerichtete Integrationsenquete von den Anschlägen auf zwei Moscheen in der neuseeländischen Stadt Christchurch. Für IGGÖ-Präsident Ümit Vural bringen die jüngsten Entwicklungen in Neuseeland auch Österreichs Muslime in eine besorgniserregende Situation, was auch an der Basis zu spüren sei. Er fragte sich: "Wer kann uns die Garantie geben, dass ein derartiger Vorfall woanders nicht geschieht?" Auch er mahnte nicht zuletzt die Politik, auf die Sprache zu achten. "Wir wollen keinen Hass, wir wollen keine Hetze."
Chalupka, der für das Amt des neuen evangelischen Bischofs nominiert ist, sieht sich mit einem "Phänomen des nationalen Rassismus" konfrontiert. Der Satz der neuseeländischen Premierministerin nach den Anschlägen sei auch im Umgang mit Migranten entscheidend: "They are us."
Niemand müsse sich provoziert fühlen, wenn Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften anders bekleidet sind, meinte Wiens Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister in einer Videobotschaft. Dies gelte sowohl für Juden, als auch für Musliminnen mit Kopftuch.
Quelle: kathpress