Religion soll im Kindergarten Platz haben
Das Kind muss im Kindergarten im Zentrum stehen und in seiner Gesamtheit angenommen werden - auch mit seiner Religiosität: Das haben Vertreter mehrerer privater Träger von Wiener Kindergärten bei einer Veranstaltung der Evangelischen Akademie Wien hervorgehoben. Problematisch sei in der Praxis nicht ein "Zuviel an Religion", sondern eher der "fatale" Versuch, Religion auszuklammern, so der Tenor der Wortbeiträge beim "Pädagogischen Salon" am Mittwochabend.
Alles, was im Leben eines Kindes wichtig ist, sei im Kindergarten Thema - etwa auch, wenn ein Geschwisterkind kommt oder ein großes Familienfest ansteht, legte dabei die pädagogische Leiterin der katholischen St. Nikolaus Stiftung, Susanna Haas, dar. "Warum sollte dann nicht auch über religiöse Feste geredet werden, das gehört doch auch zum Menschsein dazu?" Religion solle "nicht raus aus der Bildung", müsse wohl aber unbedingt "kindgerecht aufbereitet" werden im Hinblick auf adäquate Pädagogik, so Haas weiter. Die St. Nikolausstiftung habe deshalb einen eigenen Informationsfolder dem Thema "Feste und Feiern in den Kindergärten und Horten" gewidmet.
In der politischen Diskussion gebe es sowohl eine "krampfhafte Aussparung" von Religion ebenso wie ihre Überbetonung, kritisierte der für Bildungsfragen zuständige evangelische Oberkirchenrat Karl Schiefermair. Nötig sei jedoch ein "gelassener Umgang mit dem Thema". Religion sei Bildungsgegenstand, "da sie Bestandteil der Gesellschaft ist", und Diversität sei eine Chance: Kinder lernten im Kindergarten das "Verschiedensein" als Teil des Menschseins und des friedvollen Zusammenlebens, und dies betreffe eben auch das Religionsbekenntnis.
44 Prozent der Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich werden privat geführt, was den Eltern "Wahlfreiheit" garantiere, so Schiefermair weiter. Konfessionelle Träger böten "eine spezielle Kompetenz für den Umgang mit Werthaltungen und Religionen" und besäßen ein "Profil", das es in Form eines Konzeptes auch transparent gegenüber Kindern und den Eltern zu leben gelte. Als "untaugliche Mittel" für religiöse Bildung bezeichnete der Oberkirchenrat hingegen neben dem fehlenden Konzept die "Praxis der religiösen Indoktrination", ebenso jedoch auch bestimmte staatliche, normative Vorgaben, Verbote oder Sanktionen. Auf die Aus- und Fortbildung der Betreuer und deren "professionelle Haltung zur eigenen Religion" müsse besonderes Augenmerk liegen.
Kein defizitäres Selbstbild vermitteln
Problematisch werde es, wenn "Kulturen hierarchisiert" würden, befand die Direktorin der Islamischen Fachschule für Soziale Bildung, Zeynep Elibol. Kinder außerhalb der "Mainstream-Kultur" dürften sich nicht als "defizitär" oder ausgeschlossen erleben, da dies letztlich verhindere, "das Potential zu erkennen, das in jedem Kind steckt". Auf Seiten der Elementarpädagogen berichtete Elibol Verunsicherung infolge von Untersuchungen des islamischen Religionspädagogen Ednan Aslan, die Stereotypen und Vorurteilen befeuert und eine "emotional hochgetriebene" Debatte losgetreten hätte. Als Reaktion darauf habe die Islamische Glaubensgemeinschaft, die selbst keine Kindergärten betreibt, einen Leitfaden für mehr Qualität und Professionalisierung ausgearbeitet.
Hinsichtlich der Kopftuch-Debatte zu Kindergärten erklärte bei der Veranstaltung Daniela Cochlar, Leiterin der für Kindergärten zuständigen Magistratsabteilung 10, ihr sei in ihren bisher sieben Amtsjahren nur ein Kind mit einem Kopftuch im Kindergarten begegnet. Bei diesem Fall habe man erfolgreich das Gespräch mit den Eltern gesucht. Verbote bezeichnete die Vertreterin der Stadt Wien als kontraproduktiv. "Verbote, Stigmatisierungen und Kleidungsvorschriften drängen Religion in das Heimliche, Unsichtbare", so Cochlars Standpunkt.
Quelle: kathpress