Ältere Generation zur Verantwortung zwingen
Als ein wichtiges Hoffnungszeichen für die Zukunft hat der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber die #FridaysForFuture-Bewegung bezeichnet. Die von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg gestarteten Schülerdemonstrationen im Zeichen des Klimaschutzes, die auch an zahlreichen österreichischen Schulen stattfinden und am Freitag mit einer weltweiten Aktion ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen sollen, seien eine "positive Überraschung" und ein Beweis für den Mut der jungen Generation, sagte der langjährige Direktor des Instituts für Klimafolgenforschung in Potsdam in einem Interview mit dem "Don Bosco Magazin" (aktuelle Ausgabe).
Auch ihn berührten Aussagen der demonstrierenden Schüler wie etwa "Ich will mir meine Zukunft nicht stehlen lassen", bekannte der Klimaexperte, der Papst Franziskus bei der Erstellung der Enzyklika "Laudato si" beriet. "Ich selbst bin 68 Jahre alt. Mich selbst werden die negativen Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr intensiv betreffen. Aber unser heutiges Handeln ist eine fatale Bedrohung für die künftigen Generationen." Schellnhuber ermutigte dazu, weiterzumachen, nicht zu resignieren und die Älteren "nicht aus der Verantwortung flüchten zu lassen", denn:
Wir Älteren müssen zur Verantwortung gezwungen werden. Und das über alle Landesgrenzen hinweg.
Für den Klimaschutz sei es bereits "sehr spät, aber faktisch noch nicht zu spät", so die Analyse des Klimaexperten, demzufolge "die nächsten zwei bis drei Jahrzehnte" über die Zukunft entscheiden würden. Das stabile Klima, in dem die menschliche Zivilisation vor rund 11.000 Jahren entstanden sei, werde heute leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Durch den Anstieg des Meeresspiegels kämen große Probleme auf die Menschheit zu wie etwa die Gefährdung der Nahrungsversorgung durch Dürren und Überflutungen. Bestimmte "Kippelemente" drohten wie Dominosteine eine Kette an Ereignissen auslösen und die Erde längerfristig in einen Zustand wie vor 15 Millionen Jahren zu versetzen, als der Planet um bis zu sechs Grad wärmer und der Wasserspiegel um 60 Meter höher gewesen sei.
Bisher machten die Entscheidungsträger jedoch weiter wie bisher - "weil sie angeblich populistische Bewegungen fürchten", kritisierte Schellnhuber. Sofortige ambitionierte Maßnahmen für den Klimaschutz - der Experte sprach von "enormen Kraftanstrengungen in kurzer Zeit" - seien daher aus Sicht der Wissenschaft Gebot der Stunde. Die Welt habe eine "Kehrtwende, die früher sehr viel leichter gegangen wäre" zu schaffen.
Für die Überwindung der Klimakrise gebe es zwar technisch viele Projekte, die für Veränderung sorgen könnten, bisher fehle jedoch "die Zusammenführung aller Möglichkeiten und eine ermutigende Vision der Zukunft, ein Narrativ", befand der deutsche Forscher. Dabei müsse es nicht unbedingt um den Verzicht gehen, sondern es biete sich auch das "gute Leben mit vernünftigem Ressourceneinsatz" an. Dies stehe freilich im starken Gegensatz zum "aggressiven Narrativ" der Industriellen Revolution, der auf "rücksichtloseste Plünderung der Natur" beruhe und nicht alle Menschen reich und glücklich machen könne, wie sich herausgestellt habe. "Der Klimawandel ist der krasseste Ausdruck des Scheiterns dieses Projekts", so Schellnhuber.
Solche Visionen seien auch in der Papst-Enzyklika "Laudato Si" enthalten, die auf Prinzipien wie "Barmherzigkeit, Respekt und Achtsamkeit für alle Mitmenschen und Kreaturen" setze und dabei durchaus auch den "Gewinn durch Verzicht" beschreibe. Schellnhuber: "Diese Werte können einen Weg weisen, der zu einem fundamentalen Wandel führt." Für diesen Weg sei beherzter Einsatz von großer Bedeutung, von der Gesellschaft wie auch von Einzelpersonen:
Der Einzelne kann als der Teil der Gemeinschaft sehr viel bewirken, weil auch ein Ozean aus einzelnen Tropfen besteht. Und einer wird irgendwann die höchste Welle sein im Meer, welche die Mauer überwindet.
Quelle: kathpress