ICO-Gründer Hollerweger fordert mehr kirchliche Hilfe für Orient-Christen
Prof. Hans Hollerweger (89), Begründer der "Initiative Christlicher Orient" (ICO), wünscht sich mehr kirchliches Engagement in Österreich für die Orient-Christen. In der aktuellen Ausgabe des Magazins "Information Christlicher Orient" spricht Hollerweger in einem Interview davon, dass es hier noch "sehr viel Luft nach oben" gebe. Er meint damit zum einen die Diözesen, zum anderen aber auch die großen katholischen Organisationen wie etwa die Dreikönigsaktion, die Katholische Frauenbewegung oder die Männerbewegung. Hollerweger:
Die leisten sehr viel Entwicklungshilfe. Aber sie haben - auch von ihren Statuten her - im Orient einen blinden Fleck. Das sollte man ändern.
Freilich räumt der ICO-Gründer ein, dass es durchaus auch Hilfe gibt, etwa von Seiten von "Kirche in Not", der Caritas oder neuerdings der Päpstlichen Missionswerke. "Aber gesamt gesehen könnte, ja muss es noch sehr viel mehr sein", so der Appell Hollerwegers:
Mein Wunsch wäre, dass die Kirche Österreichs gemeinsam ein großes Projekt in einem christlichen Ort oder einer Stadt im Orient verwirklicht und dieses Projekt massiv unterstützt. So ähnlich, wie das die ICO in den letzten zwei Jahren gemeinsam mit anderen kleinen Hilfswerken in der Ninive-Ebene mit Telskof und Baqofa gemacht hat, nur eben viel größer. Und damit könnte man hier in Österreich auch mehr Bewusstsein für die Orient-Christen schaffen.
ICO begeht 2019 30-Jahr-Jubiläum
Anlass für das Interview mit Hollerweger ist das 30-Jahr-Jubiläum, das die ICO 2019 begeht. Hollerweger gründete 1989 den "Verein der Freunde des Tur Abdin", aus dem später die ICO wurde. Der Tur Abdin im Südosten der Türkei ist eines der ältesten christlichen Siedlungsgebiete. Noch in den 1960er Jahren sollen in der Region bis zu 100.000 Christen gelebt haben. Inzwischen sind es nur mehr 2.600, wie die ICO berichtet. Die seit 1961 in der Türkei angeworbenen Gastarbeiter für Deutschland und Österreich waren in den ersten Jahren fast nur christliche "Tur Abdiner", die auf der Suche nach materieller Sicherheit nach Jahrhunderten des Leidens und der Unterdrückung ihrer angestammten Heimat den Rücken kehrten.
Wer blieb, geriet in der felsigen und unübersichtlichen Bergregion in den 1980er und 1990er-Jahren zwischen die Fronten. Aufgerieben in den Kämpfen zwischen türkischem Militär, kurdischer PKK und kurdischen Dorfmilizen verließen Tausende ihre Dörfer. Nur wenige blieben zurück.
Von der kirchlichen Organisation her gibt es zwei Erzdiözesen in der Region. Jene vom Tur Abdin mit dem Zentrum im Kloster Mor Gabriel und jene von Mardin (am Rande des Tur Abdin). Demnach leben noch 1.900 Christen in der Erzdiözese Tur Abdin und 670 in der Erzdiözese Mardin. Die überwiegende Zahl der verbliebenen Christen der Region gehört der syrisch-orthodoxen Kirche an, es gibt aber auch einige armenische, syrisch-katholische und syrisch-protestantische Gläubige.
"Inoffizielles Weltkulturerbe"
Die Lage im Tur Abdin sei ruhig, "aber die weitere Entwicklung ist ungewiss", erläutert Prof. Hollerweger im ICO-Interview. "Niemand weiß, wie sich das alles unter dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoan weiter entwickeln wird." Die Zeit der großen Abwanderung sei freilich längst vorbei. Allerdings würden immer noch einzelne ihre Heimat verlassen. Dafür kämen andere wieder zurück. "Aber Kirchen und Häuser werden renoviert, so dass man auch Hoffnung für die Zukunft spürt", so Hollerweger.
Die Rückwanderung sei freilich auch schwierig, "vor allem für Familien, wenn die Kinder kein einziges Wort Türkisch sprechen". Deshalb glaube er, so Hollerweger, "dass die Zukunft des Tur Abdin bei den verbliebenen 2.600 Christen liegen wird".
Für den Orient-Experte ist der Tur Abdin ein "großartiges christliches Kulturerbe. Das hat man sonst nirgends im Orient. In einem relativ kleinen Gebiet gibt es neun bewohnte Klöster, von denen einige aus der Zeit vor 500 stammen und zahlreiche Dorfkirchen aus der Zeit vor 800. Ein inoffizielles Weltkulturerbe!" Die Christen vor Ort seien sich aber auf jeden Fall sehr bewusst, "welch wertvolles christliches Erbe sie bewahren".
Hollerweger stand bis 2014 an der Spitze der ICO. Sein Nachfolger ist der Linzer Generaldechant Slawomir Dadas. Hollerweger setzt sich aber nach wie vor auf vielfältige Weise für die Orient-Christen ein. Zuletzt erschien im vergangenen Herbst sein Buch "Bei den Christen im Orient", in dem er über seine jahrzehntelangen Erfahrungen in der Türkei, im Libanon, Palästina, Syrien und im Irak berichtet.
(Infos: www.christlicher-orient.at)
Quelle: kathpress