Ökumene fördert Auseinandersetzung mit eigenem Glauben
Laut dem Linzer Bischof Manfred Scheuer fordert die Ökumene zu einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben heraus. "Sich im Licht des anderen zu erkennen und sich vom anderen befragen zu lassen, stärkt und weitet die eigene Position, macht antwortfähig und beziehungsfähig", sagte Scheuer am Mittwoch bei einer Veranstaltung der Linzer "Pro Oriente"-Sektion bei den Elisabethinen in Linz. Ökumene als Wille zur Einheit unter den Christen sei so Vollzug des eigenen Katholisch-Seins.
Ziel allen ökumenischen Bemühens sei "eine Einheit, die sich im gemeinsamen Bekennen des apostolischen Glaubens, im Verständnis der Sakramente - vornehmlich der Eucharistie und der Taufe - und im Verständnis des kirchlichen Amtes eins weiß", erläuterte Scheuer. Das ökumenische Projekt als gescheitert zu betrachten, hält der Bischof für falsch. Eine Absage erteilte er allerdings auch einem "ökumenischen Pragmatismus", einer Art "Hauruck-Ökumene", die theologischen Kontroversproblemen und Fragestellungen keinen Wert beimesse und die eine Gemeinsamkeit der Kirchen "ohne geistige und geistliche Anstrengung mit Beschlüssen und Aktionen" herbeiführen wolle.
Ökumene sei auch kein Selbstläufer, der "mehr oder weniger kontinuierlich auf die vor uns liegende Einheit zuläuft", gab Scheuer zu bedenken. Denn in wichtigen Bereichen des kirchlichen Lebens und Glaubensbewusstseins könnten immer wieder Entwicklungen eintreten, die zu einem Auseinanderdriften führten. Scheuer verwies dabei etwa auf Entwicklungen im Bereich ethischer Grundüberzeugungen, aber auch auf politische Positionen, die die Kirchen oftmals weiter voneinander wegbrächten.
Blick auf Verbindendes legen
Scheuer ermutigte dazu, den Blick auf das Verbindende und nicht vorrangig auf das Trennende zu richten. Zum einen müssten Unterschiedlichkeiten im Sinne des differenzierten Konsenses miteinander versöhnt werden. Das habe in vorbildlicher Weise die von römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Kirche erarbeitete "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung" versucht. Zum anderen habe diese Option natürlich auch den Sinn, unnötige und vom Zentrum des Glaubens wegführende Ausformungen konfessionellen Eigenlebens zurückzuschneiden. Denn nicht alles, "was uns in der kirchlichen Frömmigkeitspraxis und in der Ausgestaltung kirchlichen Lebens zugewachsen ist, muss bewahrt werden", sagte Scheuer.
Wichtig für die ökumenische Arbeit seien auch vertrauensbildende Maßnahmen. Denn mit Rückschlägen in der ökumenischen Annäherung sei immer wieder zu rechnen. Um solche Phasen durchstehen zu können, brauche es ein "Kapital an Vertrauen", das bereits im Voraus zu bilden sei, so der Bischof. Zu diesem Vertrauen gehöre auch die Bereitschaft, "sich freimütig auf Dinge aufmerksam machen zu lassen, die für den ökumenischen Partner belastend sind, aber auch: jene Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Zeugnisses auszuschöpfen, die uns heute schon möglich sind".
Schließlich betonte Scheuer die Notwendigkeit, in einigen Problemfeldern, die besonders die Praxis des ökumenischen Miteinanders betreffen, verantwortbare Regeln zu entwickeln. So brauche es etwa weitere seelsorgliche Hilfen für konfessionsverschiedene bzw. -verbindende Ehen; "Hilfen, die sowohl mit unserem kirchlichen Selbstverständnis als auch mit der konkreten Situation dieser Paare in Einklang stehen", so der Bischof.
Als positive Beispiele des "gemeinsamen Zeugnisses" nannte Scheuer u.a. die "Ökumene der Märtyrer" und den "geistlichen Ökumenismus", der "eine Ahnung vom großen Reichtum des konfessionell geprägten Glaubenslebens" vermittle. In besonderer Weise verwies der Linzer Bischof auch auf das "Ökumenische Sozialwort" von 2003. Damit hätten die christlichen Kirchen in Österreich Orientierung gegeben für ein sozial engagiertes Christentum, das sich gemeinsam den Herausforderungen der Gesellschaft stellt.
Scheuer hielt seinen Vortrag unter dem Motto "Ökumene, das ist gemeinsames Zeugnis" im Rahmen der Komitee-Sitzung der Stiftung "Pro Oriente", zu der Landeshauptmann a.D. Josef Pühringer am Mittwoch geladen hatte. An der Veranstaltung nahmen u.a. Staatssekretär a. D. Helmut Kukacka, der ehemalige Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, der Linzer Generalvikar Severin Lederhilger, die Bischofsvikare Johann Hintermaier und Maximilian Mittendorfer und Altbischof Ludwig Schwarz teil.
Quelle: kathpress