Zulehner prognostiziert für Zukunft ehrenamtlich tätige Priester
In der katholischen Kirche wird sich das Bild des Priesters laut dem Pastoraltheologen Paul Zulehner radikal ändern: Bereits in "nicht ferner Zukunft" werde es normal sein, "dass die gläubigen Gemeinschaften 'erfahrene Personen' wählen, sie berufsbegleitend ausbilden lassen und dem Bischof vorschlagen, sie für die Gemeinde in ein Presbyterteam zu ordinieren", schrieb der emeritierte Wiener Universitätsprofessor in einem Gastbeitrag der Wochenzeitung "Die Furche" (28. Februar). Heutige Probleme der Kirche wie der Klerikalismus oder der Priestermangel - welcher laut Zulehner in Wahrheit eher ein "Gemeindemangel" sei - könnten damit schlagartig überwunden werden.
Um das für Missbrauch geistiger Vollmacht anfällige Priesterbild eines "heiligen Außenseiters" zu überwinden, brauche die Kirche einen "tiefgreifenden Umbau des priesterlichen Amtes", erklärte der Theologe. Frauen sollten dabei schrittweise Zutritt "in das Priesteramt in seinen vielfältigen Stufen" und langfristig in alle Ämter bekommen, die Einhebung eines Kirchenbeitrages abgeschafft werden und Priester im Normalfall ehrenamtlich tätig sein.
Keine "pastorale Solisten und Besserwisser" mehr
Für diesen Wandel wäre es zu wenig, nur die Priesterausbildung zu modifizieren, betonte Zulehner. Derzeit sei die Situation so, dass Kandidaten zunächst einige Jahre aus den Kirchengemeinden herausgezogen, praxisfern theologisch ausgebildet, zu einigen unverbindlichen Praktika angeregt und eventuell noch durch psychologische Screenings hinsichtlich ihrer sexuellen Reife getestet würden. Das Ergebnis seien "pastorale Solisten und Besserwisser", die man dann "kontroll- und supervisionsfrei" mehreren Gemeinden vorsetze und sie zu Leitungsfunktionen befuge, in denen sie trotz Laien-Beratern letztlich dennoch freie Hand in den Entscheidungen hätten.
Seine "Vision" für den Priesterberuf gehe von einem neuen Verständnis der Gemeinde als "Volk Gottes" aus, legte Zulehner dar. Künftig werde sich die Kirche zunehmend als "Jesusbewegung mit offenen Grenzen" verstehen, bei denen Menschen gemeinschaftlich die Umsetzung des Evangeliums versuchen. "Sie feiern das Herrenmahl, aus dem sie als Fußwaschende in das alltägliche Leben hinausgehen. Sie tauchen in Gott ein und bei den Arm(gehalten)en auf." Die Gemeinden verstünden sich selbst als "priesterlich" aufgrund ihres Reichtums an Begabungen für das Feiern, das Verkünden und den Dienst an anderen Menschen.
Dennoch würde es auch bei diesem Modell noch weiterhin Priester geben. Diese wären in die ihnen anvertrauten Gemeinden als deren einfache Mitglieder "tief eingewoben", sollten diese jedoch "in der Spur des Evangeliums halten" und sie untereinander verbinden, schilderte Zulehner. Wo die Gemeinde von der Spur abweiche - beispielsweise, wenn ein Pfarrgemeinderat gegen den Bau eines Flüchtlings-Aufnahmezentrums stimme, wie der Theologe anführte - sei der Priester "amtlich gefordert" und müsse auf Diskrepanzen hinweisen. Damit dies möglich sei, sollten ordinierte Priester weiterhin im Gemeindealltag der Gemeinschaft wie auch den sakramentalen Feiern "vorstehen" und "den auferstandenen Christus amtlich repräsentieren, handeln also im Namen der Kirche".
Neu würden dann auch die Wege sein, über die die Kirche zu derartigen Priestern kommen werde, so Zulehner weiter mit dem Verweis auf die von den gläubigen Gemeinden zu wählenden, in ehrenamtlichen Teams tätigen "personae probatae" - in Anspielung auf die "viri probati" (bewährte Männer). Für professionelle Projekte in Seelsorge, Bildung, Diakonie, Kunst oder Medien seien Personen mit voller akademischer Ausbildung in Theologie und anderen einschlägigen Fächern weiterhin gefragt, ihre Priesterweihe jedoch nicht notwendig. "Der akademisch ausgebildete und ehelos lebende Priestertyp, der heute noch der Normalfall ist, wird morgen eine dienende Minderheit sein", prognostizierte Zulehner.
Quelle: kathpress