Nach dem Anti-Missbrauchs-Gipfel
Medien zeigen sich enttäuscht
Nach dem Anti-Missbrauchs-Gipfel
Medien zeigen sich enttäuscht
Auch wenn die Erwartungen an den Anti-Missbrauchsgipfel, der am Sonntag in Rom zu Ende gegangen ist, von Beobachtern und auch von Journalisten im Vorfeld heruntergespielt wurden: Nach der Abschlussansprache von Papst Franziskus blieb dennoch bei den meisten professionellen Beobachtern und Journalisten Ratlosigkeit und Unverständnis. Die österreichischen Kommentatoren in den Tageszeitungen zeigten sich fast durchgehend darin einig, dass die Ansprache des Papstes kein großer Wurf war - und dass die Zeit überreif sei für konkrete Schritte, die den vielen Worten nun zu folgen hätten.
Enttäuscht zeigte sich etwa Julius Müller-Meiningen in der "Kleinen Zeitung" (25. Februar): Die Rede des Papstes zeige, dass die Kirche offenbar "keine Kraft" habe, "sich zu erneuern". Bekenntnisse und Ankündigungen seien nicht mehr genug - zu viel sei passiert. Und so bleibe der Eindruck, dass die Kirche "das Missbrauchsdrama nicht im Griff" habe und dieses - mehr noch - "noch immer in vollem Gange" sei. Wieder sei die Öffentlichkeit "vertröstet" worden.
Das große Dilemma der katholischen Kirche wurde offensichtlich: Wenn der Papst nicht selbst vorangeht, irrt seine Herde umher.
Ähnlich die Einschätzung von Markus Rohrhofer im "Standard" (25. Februar): Auch wenn die Konferenz in Rom "unbestritten eines der kirchengeschichtlich wichtigsten Ereignisse" gewesen sei und ein "Treffen mit Symbolcharakter", das von einem "gemeinsamen Erwachen in Rom" zeuge, so erfüllte dieses Ereignis dennoch die hohen Erwartungen nicht. Was es nun brauche, seien "verbindliche Regeln im Umgang mit Missbrauchstätern", sowie "zwingend" auch entsprechende Strafmaßnahmen im Kirchenrecht (CIC), eine "deutlich engere Zusammenarbeit mit weltlichen Gerichten" und die Gewissheit, dass Täter nicht mehr als Priester tätig sein dürfen, so Rohrhofer.
Und man müsste sich endlich dazu durchringen, den Pflichtzölibat abzuschaffen. Denn sexuelle Einsamkeit mündet nicht selten in einem gefährlichen Nähe-Distanz-Problem.
Dietmar Neuwirth stellte in seinem Kommentar in der "Presse" (25. Februar) lakonisch fest: "Das hätte Benedikt auch geschafft". Tatsächlich sei die Abschlussansprache von Papst Franziskus "konventionell" gewesen und kein "Befreiungsschlag", wie er im Vorfeld von Beobachtern erwartet worden war - sie enttäuschte insofern "auf eine so nicht erwartete Art". Insbesondere die Tatsache, dass Franziskus in seiner Rede dem Phänomen des Missbrauchs insgesamt breiten Raum gab, bevor er schließlich zur Kirche kam, stieß Neuwirth auf, könne dies doch - trotz gegenteiliger Beteuerungen - "wie eine Minimierung oder Relativierung der Taten anmuten".
Der Papst mutete "gefesselt" an, bemerkte Neuwirth; "Entweder durch die Macht der vatikanischen Kurie, die ein Einbekenntnis des Versagens nicht verkraften kann, durch nur scheinbar unveränderbare Strukturen, oder durch eigene Fantasie- und Mutlosigkeit." Daher bleibe am Ende die Feststellung, dass eine solche Rede - "nur feiner geschliffen und theologisch gründlicher fundiert" - auch von Benedikt XVI. hätte stammen können.
Milder fällt indes das Urteil von Gabriele Starck in der "Tiroler Tageszeitung" (25. Februar) aus: Die Kritik an Franziskus sei "nur zum Teil gerechtfertigt", da der Gipfel schließlich weniger für die Öffentlichkeit als vielmehr für die eigentlichen Adressaten, die Bischöfe, gedacht gewesen sei. Und da gebe es immer noch viel an interner Bewusstseinsbildung zu tun, so Starck.
Denn so erbärmlich es ist: In vielen Kirchenmännern hat die Einsicht erst zu reifen, dass sie Schuld eingestehen und Konsequenzen ziehen müssen.
Vor der Kirche liege daher "ein weiter und beschwerlicher Weg", so die Kommentatorin - ein Weg, auf dem ihrer Ansicht nach auch der Zölibat als ein wesentlicher Faktor beim Thema Missbrauch zu fallen habe.
Quelle: kathpress