
Frauen, Homosexualität, Zölibat: Erwartungen an Vatikan-Gipfel
Die Erwartungshaltungen im Blick auf den heute in Rom beginnenden Anti-Missbrauchsgipfel sind denkbar unterschiedlich: Sie reichen von eher gedämpften Erwartungen, dass man - wie es Kardinal Schönborn in einem "Stern"-Interview formulierte - von dem Treffen "keine Wunder erwarten" dürfe, bis hin zur medial stilisierten "Schicksalskonferenz für den Papst", wie es der "Standard" in seiner aktuellen Ausgabe formuliert. Dennoch stimmen viele mediale Beiträge darin überein, dass die "heißen Eisen"-Themen des kirchlichen Umgangs mit Frauen, mit Homosexualität und dem Zölibat nicht nur Randthemen seien, sondern ein Teil der Lösung sein könnten.
Die Grazer Dogmatikerin Prof. Gunda Werner zeigte sich skeptisch. Es werde wohl auch künftig kein Bischof von sich aus die Konsequenz ziehen, für sein Nicht-Handeln in Missbrauchsfragen zurückzutreten, so Werner in einem Gastbeitrag in der Tageszeitung "Der Standard" (21. Februar). "Als monarchische Heilsanstalt dreht sich die römisch-katholische Kirche in einer ihrer schwersten Krisen um sich selbst und auch noch im Kreis ihrer eigenen Leitung." Dies sei eine schwere Hypothek für den römischen Anti-Missbrauchsgipfel - ein Ausweg bestünde laut Werner wohl darin, dass sich die Kirche das Prinzip der Gewaltenteilung als Kontrollinstrument zu eigen macht, wie dies selbst von Bischöfen, Theologen und Priestern immer häufiger eingefordert wird. So komplex eine solche Etablierung eines für eine Monarchie nicht vorgesehenen Kontrollinstruments auch sei - undenkbar sei sie nicht.
Auch die Frauenfrage stellt laut Werner, die Mitautorin des im Herder-Verlag erschienenen Bandes "Unheilige Theologie! Analysen angesichts sexueller Gewalt gegen Minderjährige durch Priester" ist, eine zentrale Zukunftsfrage für die Kirche dar: "Wird diese nicht gelöst, werden noch mehr Frauen die Kirche verlassen". Ähnlich die Einschätzung des Würzburger Theologen Prof. Matthias Remenyi: Es seien dabei die fast schon "bis zur Ermüdung" diskutierten "Klassiker" der "heißen Eisen", die einer Prüfung unterzogen werden sollten: Die Fragen nach dem Zölibat, nach dem Umgang der Kirche mit Homosexualität und die Öffnung des Priesteramts für Frauen.
"Es tut sich was. Endlich"
Neu seien all jene (theologischen) Argumente nicht, die eine kirchliche Umkehr in diesen drei Punkten rechtfertigen würden - neu sei indes, "dass sie nun auch von amtlicher Seite aufgegriffen werden", so Remenyi in einem Beitrag für das theologische Debattenportal feinschwarz.net:
Bischof Kohlgraf zum Zölibat, Bischof Overbeck zur Homosexualität, die Bistümer Paderborn und Münster zur Weihe von homosexuellen Männern, Bischof Feige sogar zum Priesteramt der Frau. Es tut sich was. Endlich.
Auch der Theologe und Publizist P. Andreas Batlogg sieht die Bischöfe und den Papst in Rom nun unter Zugzwang: Zu lange wurde "geleugnet, bagatellisiert, vertuscht, verschleppt", schreibt Batlogg in der aktuellen Ausgabe der "Furche" (21. Februar): Nun würden Betroffene zu Recht fragen und drängen: "Was wurde daraus gelernt? Wo steht es mit der Prävention? Was ist systembedingt? Welche Faktoren begünstigen vielleicht, welche fördern gar Missbrauch? Die zölibatäre Lebensform? Unreife Sexualität? Eine Veranlagung? Eine Persönlichkeitsstörung? Oder schlicht kriminelle Energie?"
Gar nicht hoch genug einschätzen dürfe man in dem Zusammenhang den Beitrag der ehemaligen Ordensfrau Doris Wagner. Sie verdiene geradezu das Prädikat "Kirchenlehrerin", insofern sie mit ihren Büchern jenen eine Stimme gebe, "die aufgrund ihrer Leidensgeschichte verstummt sind", schreibt Batlogg - und er rät den Vorsitzenden der deutschen und österreichischen Bischofskonferenzen, Kardinal Reinhard Marx und Kardinal Christoph Schönborn, zugleich, sie zu ihrer nächsten Bischofskonferenz-Vollversammlung einzuladen.
Um dem "Generalverdacht" entgegenzutreten, der inzwischen gegenüber Amtsträgern der Kirche herrscht, gelte es u.a. an einer "Kultur der Beteiligung und der Mitverantwortung" in der Kirche zu arbeiten, führte Batlogg weiter aus. Das erst wäre "das Ende von klerikaler Überheblichkeit, von Besserwisserei und Gängelung." Einzelne Bischöfe würden diesbezüglich bereits mutig voranschreiten - u.a. Kardinal Schönborn - aber diese seien leider "nach wie vor in der Minderheit".
Zölibat fordert lebenslange Begleitung
Die Themen Zölibat und Homosexualität stehen auch im Zentrum von Forderungen bzw. Ausführungen etwa des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf, des Psychiaters Harald Dreßing und des früheren Leiters des Canisius-Kollegs, P. Klaus Mertes: Auch wenn er den Zölibat nicht abschaffen wolle und weiterhin wertschätze, so müsse man doch anerkennen, dass der Zölibat "nicht die vollkommenere Form der Christusnachfolge, als die er manchmal vertreten worden ist", darstellt, schreibt Kohlgraf in den Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz. Es brauche künftig Hilfestellungen für Priester, dass sie in ihrem zölibatären Leben "nicht in die Einsamkeit und in die geistliche Leere" geraten.
Für eine entsprechende Neuausrichtung in der Priesterausbildung im Blick auf das Thema Sexualität sprach sich im "Standard" auch der deutsche Psychiater und Autor der deutschen, kirchlich beauftragten Missbrauchs-Studie, Harald Dreßing, aus. Wenn die Kirche am Zölibat festhalte, "müssten die Priester viel gründlicher vorbereitet und auch ein Leben lang psychologisch begleitet werden", so Dreßing. Der Psychiater sieht dies jedoch in einem größeren Zusammenhang, in dem auch das Thema Homosexualität betrachtet werden müsse: Missbrauch folge gewiss nicht notwendigerweise aus Homosexualität, eine bisweilen "homophobe Atmosphäre" innerhalb der Kirche gemeinsam mit dem Zölibat führe jedoch dazu, dass - wie es auch P. Mertes sieht - vor allem "persönlich wie sexuell unreife Menschen" den Weg ins Priesteramt fänden.
Kirchenrechtlerin erwartet "dezentrale Regelungen"
Der Erfolg des Gipfels wird daher vor allem daran gemessen werden, ob aus ihm insgesamt "Handlungen folgen" - etwa Präventionsmaßnahmen, Strukturmaßnahmen und/oder Handreichungen zur konkreten Aufarbeitung vorliegender Missbrauchsfälle. Das forderte in einem Gastkommentar in der "Wiener Zeitung" (21. Februar) schließlich die Grazer Theologin und designierte ehrenamtliche Vorsitzende der Katholischen Jugend Österreich, Eva Wimmer. Insgesamt erhoffe und erwarte sie von dem Gipfel, "dass die Sensibilität für dieses Thema weltweit ausgebaut wird und daraus Handlungen erfolgen."
Handlungen, wie sie vermutlich in Folge nur national gesetzt werden können, wie die Erfurter Kirchenrechtlerin Prof. Myriam Wijlens gegenüber katholisch.de betonte. Gewiss eröffne das Treffen erstmals eine globale Perspektive auf dieses Thema und ermögliche einen Austausch über Erfahrungen im Kampf gegen den Missbrauch - eine globale Lösung werde es jedoch aller Voraussicht nach nicht geben: Schließlich sei das staatliche Strafrecht in den Ländern teilweise sehr unterschiedlich und "auch die gesellschaftliche Dimension im Umgang mit Missbrauch" müsse berücksichtigt werden. Daher werde es vermutlich eher "dezentrale Regelungen" geben, zeigte sich die Theologin, die zugleich Mitglied in der Päpstlichen Kinderschutzkommission ist, überzeugt.
Quelle: kathpress