Wie Kardinal König sich auf den Tod vorbereitete und starb
Am 13. März jährt sich der Tod von Kardinal Franz König (1905-2004) zum 15. Mal. Annemarie Fenzl, die langjährige Leiterin seines Sekretariats, schilderte am Montagabend im Wiener Kardinal König Haus bei einem Symposion die "letzte Zeit" des Kardinals. Für den Kardinal sei eines seiner "Lebensrituale" gewesen, zumindest einmal am Tag an den eigenen Tod zu denken, berichtete Fenzl. Es sei die Überzeugung des Kardinals gewesen, dass der Gedanke an die Endlichkeit des Lebens jeden Augenblick, jede Begegnung erst kostbar macht.
Als König im Sommer 2003 in Mariazell einen Oberschenkelhalsbruch erlitt, habe er gemeint, am Ende seines Weges angelangt zu sein. Aber es kam anders: "Nach einem Hubschraubertransport von Mariazell nach Wien, mit einer Bronchitis behaftet, in die hinein nun plötzlich operiert werden musste, wollte er eineinhalb Tage nicht aufwachen, was die behandelnden Ärzte in eine ziemliche Stress-Situation versetzte, eine Verlegung ins AKH stand schon im Raum. Aber plötzlich schlug er, wie durch ein Wunder, die Augen auf und war wieder ganz da", so Fenzl. Seinen 98. Geburtstag feierte er am 3. August im Spital und trank mit Kardinal Christoph Schönborn schon wieder ein Glas Sekt. Ausgewählte Gratulanten kamen und er fasste langsam wieder Mut.
Annemarie Fenzl zitierte ein Wort Kardinal Königs von damals:
Ich habe mir gedacht, ich darf nicht hadern und fragen: Warum ist mir das passiert? Das passiert so vielen alten Leuten. Warum soll es mir nicht passieren? Ich muss die Frage anders stellen, ich muss fragen: Wozu ist mir das passiert? Was ist der Sinn dahinter? Dann habe ich eine Antwort: Ich kann anderen alten Leuten Mut machen und ihnen zeigen, dass man nicht aufgeben darf, dass man es, auch wenn man alt ist, noch schaffen kann.
Damals habe der Kardinal allein durch sein Beispiel vielen Menschen in ähnlicher Lage Mut gemacht, "einfach, indem er zeigte, dass es möglich war". Aber kaum ging es ihm einigermaßen besser, wollte er das Spital verlassen. Die Ärzte hatten damit gar keine Freude, er ließ aber nicht locker und durfte am 15. August, am Marienfeiertag, nach Hause gehen. Und er erholte sich zum Erstaunen vieler auf fast wunderbare Weise: Mit großer Disziplin trainierte er täglich und konnte bald wieder langsam alleine gehen, zuerst noch mit einem Rollator, dann mit und bald ohne Krücken, zuerst noch ein bisschen hinkend und dann ohne merkbare äußere Zeichen irgendeiner Behinderung.
Im Herbst 2003 nahm König seine seelsorglichen Aufgaben wieder auf, fast so, als ob nichts geschehen wäre. Er stand im November einem feierlichen Hochamt aus Anlass der 175. Wiederkehr des Todestages von Franz Schubert im Stephansdom vor und konnte auch die schon im Frühjahr ausgemachten Pfarrbesuche einhalten. Anlässlich einer Firmung in St. Elisabeth im 4. Bezirk im Oktober 2003 sagte er am Ende der doch anstrengenden Feier mit fröhlicher Selbstironie:
Heute habe ich gelernt, wozu ein Bischofsstab auch gut ist, er ersetzt die Krücke und ist doch viel eleganter.
Anfang Jänner 2004 fuhr er, auch wie jedes Jahr, nach Mariazell. Täglich konnte er hier wieder die Heilige Messe feiern, ohne Hilfe und ohne Stock und abends, wenn die Basilika geschlossen war, ging er zur Gnadenkapelle, um in der dunklen Stille zu beten und zu danken.
Die letzten Tage des Kardinals
Annemarie Fenzl schilderte auch die letzten Tage des Kardinals: Am 11. Februar 2004 begleitete König seinen Freund, den Altbischof von St. Pölten, Franz Zak, zur letzten Ruhe. Kardinal Schönborn war zu diesem Zeitpunkt in Amerika und der amtierende Diözesanbischof, Kurt Krenn, befand sich selbst im Spital. Der feierliche und daher für ihn sehr anstrengende Begräbnisgottesdienst im St. Pöltner Dom, wo er selbst 52 Jahre zuvor die Bischofsweihe empfangen hatte, dauerte an die zweieinhalb Stunden. Eine Woche danach, am 18. Februar 2004, nahm er noch ein Ehrendoktorat der rumänischen Universität von Cluj im großen Festsaal der Wiener Universität entgegen. Einwänden aus seiner Umgebung, ob im Hinblick auf seinen bereits geschwächten Gesamtzustand, diese - letztlich anstrengende - Ehrung an der Universität unbedingt notwendig sei, sei er mit dem einfachen Argument begegnet: "Es ist eine Universität aus dem Osten und es geht um Europa." Von dieser Strapaze sollte sich der Kardinal nicht mehr erholen können, so Fenzl:
Gott hätte ihm keinen schöneren Schlussakkord schenken können.
Unmittelbar darauf verließen König endgültig die Kräfte und er musste ins Spital. Nach vier Tagen setzte er bei seinen Ärzten seine Rückkehr nach Hause in seine Wohnung im Altenheim der Barmherzigen Schwestern durch. Fenzl:
Obwohl er zunehmend schwächer wurde, blieb sein Interesse am Leben ungebrochen. Freunde kamen zu Besuch, Priester seiner Diözese feierten mit ihm in seinem Wohnzimmer Gottesdienst.
Als die Tage mühsamer wurden, wurde es immer deutlicher, woher der Kardinal seine Kraft holte, so Fenzl: "Nach einer Messe, die ein junger Priester mit ihm und für ihn in seinem Wohnzimmer feierte, sagte der Kardinal: Daraus lebe ich!"
Noch im Spital habe sich König ganz bewusst u.a. von seinem Nachnachfolger, Kardinal Schönborn, von Weihbischof Helmut Krätzl, von Metropolit Michael Staikos und Oberin Christine Gleixner verabschiedet. Sein letztes Gespräch in dieser Welt mit dem griechisch-orthodoxen Metropoliten Michael Staikos, in der Wohnung zwei Tage vor seinem Tod, hatte die Auferstehung zum Thema. Sinngemäß habe Kardinal König damals gesagt, die Kirche solle - anstatt den Menschen allzu viele moralische Ge- und Verbote aufzuerlegen, mehr von der Auferstehung zu ihnen sprechen, die ja das Wichtigste, das Entscheidende ist, so Fenzl:
Und obwohl in diesen letzten zwei Wochen alle wussten, spürten, dass seine Lebenszeit langsam zu Ende ging, war da übereinstimmend das Gefühl, dass es eine schöne und wichtige Zeit, nicht nur für ihn, sondern für uns alle war.
Fenzl weiter: "Am letzten Morgen seines Lebens, am 12. März, wollte er nach der Morgentoilette im Bad in sein Schlafzimmer vor das Fenster gerollt werden, um sich dann lange und sorgfältig zu rasieren, so, als ob er ganz fein vor den Herrgott treten wollte. Am Abend dieses 12. März schneite es. Wir erzählten ihm davon und dass wir alle hier wären und dass alles in Ordnung sei. Er erwiderte: 'Wie schön.' Wir haben die letzten Nächte zu Hause immer bei ihm durchgewacht - aber als er heimging, da haben wir alle geschlafen. Er wollte wohl alleine gehen und uns die Aufregung ersparen, die sich unweigerlich ergeben hätte. Um Mitternacht schlief er noch ruhig und als wir gegen 3 Uhr früh nach ihm schauten, hatte er sich schon auf den Weg gemacht. Er ist am Samstagmorgen, dem 13. März 2004, am Muttergottes- und Fatimatag, in seiner Wohnung im Altenheim der Barmherzigen Schwestern - im wahrsten Sinn des Wortes, wie man früher sagte - 'selig im Herrn entschlafen'.
Wir zündeten seine kleine Bischofskerze an und öffneten nach altem Brauch das Fenster, damit 'die Seele hinausfliegen' konnte. Wir legten ihm seine wichtigsten 'Lebensbegleiter' auf die Bettdecke: sein Johanneskreuz, seinen Konzilsring und sein Brevier. Eine halbe Stunde danach war schon Kardinal Schönborn eingetroffen. Er war ganz still und tat dann, wie selbstverständlich, das Richtige. Er setzte sich an das Fußende des Bettes, nahm das Brevier, das auf der Decke lag und sagte zu seinem soeben verstorbenen Mitbruder: 'Ich bete jetzt mit dir die Laudes (das Morgengebet der Kirche)'. Vielleicht hat Kardinal König ihn noch gehört. Den ganzen Morgen kamen Menschen, Schwestern, Mitarbeiter, Freunde, die alle mit uns beteten. So hoffen wir, dass wir ihn gut hinüberbegleitet haben auf seinem Weg in sein neues Leben".
Gottesdienst und Symposion in Wien
Anlässlich des 15. Todestages von Kardinal König lädt die Kardinal-König-Stiftung am 13. März zu einem Gottesdienst und einem Kurz-Symposion ein. Um 18 Uhr findet in der Konzilsgedächtniskirche in Wien-Hietzing eine Messfeier statt, der der emeritierte Linzer Bischof Maximilian Aichern vorstehen wird; der von Kardinal König im Jänner 1982 zum Bischof geweihte Aichern konzelebriert dabei mit einer Reihe von Priestern, die ebenfalls von König geweiht wurden.
Der anschließende Abend im Karl-Rahner-Saal des Kardinal-König-Hauses steht u.a. im Zeichen der drei zentralen Fragen des Kardinals: "Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Welchen Sinn hat mein Leben?" Die Generalsekretärin der Kardinal-König-Stiftung und langjährige Büroleiterin des Kardinals, Annemarie Fenzl, spricht über "Kardinal König und seine Botschaft"; der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl behandelt das Thema "Kardinal König, das Konzil und die Wiener Diözesansynode". Der Mediziner und Theologe Johannes Huber - er war langjähriger Sekretär von Kardinal König - fasst unter dem Titel "Woher wir kommen, wohin wir gehen" seine Erfahrungen aus dem Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft zusammen.
Quelle: kathpress