Was bewegt Ordensfrauen in Österreich?
Mit dem "Kurier" und der "Presse am Sonntag" haben sich an diesem Wochenende gleich zwei Tageszeitungen der Frage angenommen, was Ordensfrauen in Österreich heute bewegt. Anlass der beiden ausführlichen Berichte und Portraits von jeweils drei Ordensfrauen ist u.a. der in der kommenden Woche im Vatikan stattfindende Anti-Missbrauchs-Gipfel und die Debatte, die sich rund um das Aufsehen erregende TV-Gespräch von Kardinal Christoph Schönborn mit der früheren Ordensfrau Doris Wagner entsponnen hat. Wagner hatte in einem Buch über ihren Missbrauch in der Gemeinschaft "Das Werk" berichtet, was u.a. in Österreich zu einer Debatte über geistlichen und auch sexuellen Missbrauch in den Ordensgemeinschaften geführt hatte.
Einig zeigten sich die portraitierten und befragten Ordensfrauen - darunter die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs (VFÖ), Sr. Beatrix Mayrhofer - darin, dass Ordensfrauen heute durchwegs selbstbewusste Frauen und "keine armen Tschapperln" sind, die mitten im Leben stehen und zugleich auf Reformen in der Kirche drängen. Häufig gebe es in der Öffentlichkeit falsche Vorstellungen eines Lebens im Kloster: "Die übliche Vorstellung ist: Kloster hinter Mauern und Abschied von der Welt. Schrecklich! Dabei ist das ein erfülltes Leben. Es kann allerdings, wie eine Ehe, auch schiefgehen", so Sr. Mayrhofer im "Kurier".
Von Anfechtungen und der Herausforderung, allem möglichen Zweifel zum Trotz dem eigenen Gelübde treu zu bleiben, berichten auch die Ordensfrau Sr. Ruth Pucher und die junge Franziskanerin Sr. Ida im "Kurier". Ein großes Opfer sei für sie etwa die bewusst gewählte Kinderlosigkeit, berichtete Pucher, die selbst vor ihrem Ordenseintritt einmal verlobt war. Den Rückgang an Ordensleuten indes empfinde sie fast wie eine zusätzliche Motivation, an ihrem Gelübde festzuhalten: "Gerade jetzt, wo wir so weniger sind, finde ich es immer sinnvoller, dabei zu bleiben." Von Punkten im Leben, "wo man sich denkt, man schmeißt alles hin" weiß auch die junge Ordensfrau Sr. Ida zu berichten. Dies sei jedoch in jeder Beziehung so - das Leben sei halt nunmal keine "g'mahde Wiesn".
Missbrauch: "Riesenabsturz der Moral"
Die "Presse am Sonntag" stellt ihren Bericht über Begegnungen und Gespräche mit drei Ordensfrauen gleich in den Kontext des Themas sexueller Missbrauch und notwendige kirchliche Reformen: Ausdrücklich begrüßt wurde laut "Presse" von den drei Gesprächspartnerinnen - der Provinzoberin der Barmherzigen Schwestern in Wien, Sr. Cordula Kreinecker, der Steyler Missionsschwester Sr. Christa Petra sowie der Missionarin Christi, Sr. Joanna Jimin Lee -, dass das Thema Missbrauch nun mit der Tagung in der kommenden Woche im Vatikan offiziell auf die kirchliche Agenda gehoben wird.
Auch wenn ihnen persönlich keine Fälle sexuellen Missbrauchs bekannt seien, wüssten sie doch durchaus von Missachtung und der Ausnutzung von kirchlichen Machtverhältnissen zu berichten. "Es wurde nicht darüber geredet, aus demselben Grund, warum man nicht über Missbrauch gegenüber Kindern redet, um der Institution nicht zu schaden", berichtete etwa Sr. Joanna. Dies bedeute einen "Riesenabsturz der Moral" und verlange kirchlicherseits nach "Läuterung".
Einig zeigten sich die drei Ordensfrauen auch darin, dass dem Thema Sexualität insgesamt mehr Aufmerksamkeit in Kirche und Orden geschenkt werden müsse und es einen Wandel der noch immer vielerorts vorherrschenden Stereotype brauche: "Es gibt das hohe Ideal des Dienens. Da muss man aber unterscheiden, ist es ein Rollenbild, das von uns Ordensfrauen automatisch verlangt wird, oder ist es unsere Hingabe zu dienen", so Sr. Joanna.
Kritisch bewerteten die Ordensfrauen auch eine feststellbare Konzentration auf den männlichen Klerus: "Die ganze Kirche dreht sich nur um den Klerus, auch bei den Leuten draußen", so Sr. Petra. Es sei dagegen an der Zeit, dass Frauen aktiver Ämter in der Kirche übernehmen können. Gott sei schließlich "männlich und weiblich" zugleich.
Im Blick auf den kommenden Anti-Missbrauchs-Gipfel im Vatikan zeigten sich die Ordensfrauen darin einig, dass es um einen Wandel von Strukturen und Mentalitäten gleichermaßen geht: "Es braucht eine neue Spiritualität über Mann und Frau und Sexualität. Die Theologie über Sexualität muss biblisch fundiert überdacht werden", so Sr. Petra.
Quelle: kathpress