Missbrauchsfälle
Weltkirche mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten
Missbrauchsfälle
Weltkirche mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten
Aus fast allen Ländern kommen Ende Februar die Spitzen der katholischen Kirche in Rom zusammen. Der Papst will mit ihnen den Schutz von Minderjährigen gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche endlich durchsetzen. Dabei mehren sich nun aber die Stimmen, die vor zu hohen Erwartungen warnen. Während in Ländern wie den USA, Kanada, Deutschland oder Österreich die Kirche massiv in der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle und bei Präventionsmaßnahmen engagiert ist, führt ein Blick in die Weltkirche zur Ernüchterung.
Dass die meisten deutschen Diözesen inzwischen konsequent gegen Missbrauch vorbeugen und die seither drastisch zurückgegangenen Fälle konsequent verfolgen, hat ihnen unlängst der Präsident des Kinderschutzzentrums an der Päpstlichen Universität Gregoriana, Hans Zollner, in einem Interview bescheinigt. Die Kirche in Deutschland gehöre inzwischen mit Ländern wie USA, Australien und Irland zur Spitzengruppe weltweit, was die Prävention betrifft. Auch Österreich zählt dazu.
Dass es dazu kam, hat mit hartnäckigen Medien, aber auch mit Geld zu tun. Die Diözesen in Deutschland und Österreich verfügen im weltweiten Vergleich über enorme Einkünfte und können sich Personalstellen für Präventionsbeauftragte und kostspielige Schulungen aller Mitarbeiter leisten. Hinzu kommt eine andere Mentalität in der Öffentlichkeit, die Geistlichen nicht mehr mit Ehrfurcht begegnet und mutmaßliche Täter in Schwarz nicht mehr mit dem Mantel des Schweigens schützt.
In anderen Ländern Europas sieht das noch ganz anders aus. Ob Spanien, Portugal, Italien oder Polen - auf den Internetseiten großer Diözesen sucht man vergeblich nach dem Stichwort "Kinderschutz". Und selbst in einer fortschrittlichen Großstadtdiözese wie Mailand sind Querverbindungen zu Texten des Papstes zu diesem Thema das einzige, was sich auf Anhieb finden lässt. Immerhin gibt es seit 2012 Leitlinien der Italienischen Bischofskonferenz zum Vergehen gegen sexuellen Missbrauch und erst seit zwei Wochen eine landesweite kirchliche Fachstelle für Kinderschutz.
In Lateinamerika sieht es nicht viel besser aus. Zwar hat es in Chile einen dramatischen Weckruf gegeben, nachdem ein dichtes Netz von Missbrauch und Vertuschung rund um den inzwischen aus dem Priesteramt entfernten Fernando Karadima aufgeflogen war. Fast die gesamte Bischofskonferenz bot ihren Rücktritt an, in acht Fällen nahm der Papst das Gesuch an. Doch insgesamt scheint das Thema in Lateinamerika noch nicht in der nötigen Breite angekommen zu sein.
Nochmals anders stellt sich die Situation in einigen asiatischen Ländern wie Thailand oder den Philippinen dar, wo Sex mit Minderjährigen im 20. Jahrhundert legal war. In Afrika wiederum spielen kulturell andere Vorstellungen von sexueller Reife und Volljährigkeit eine Rolle.
Für die Weltkirche und an ihrer Spitze für Papst Franziskus sind diese kulturellen, juristischen und kirchenpolitischen Unterschiede ein echtes Problem. Franziskus gab Ende Jänner bereits zu erkennen, dass ihm die Problematik bewusst ist. "Die Erwartungen müssen reduziert werden", sagte er auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Panama über die Konferenz mit den Vorsitzenden von rund 100 nationalen Bischofskonferenzen und weiteren Teilnehmern.
Der US-Jesuit Thomas Reese schrieb dazu in seiner Kolumne für das Presseportal "Religion News Service":
Das Treffen kann zu einer Enttäuschung für die meisten Amerikaner werden, während die Universalkirche darin einen Erfolg sieht.
Während also die Bischöfe in den USA am liebsten schon eigene Laien-Kommissionen einsetzen würden, um über Amtsbrüder zu richten, die bei der Umsetzung der Richtlinien gegen Missbrauch zu lax waren, müssen in anderen Ländern überhaupt erst einmal Richtlinien erlassen werden. Wenn es dem Papst unter diesen Voraussetzungen gelingt, alle Bischofskonferenzen wenigstens auf ein gemeinsames Level beim Problembewusstsein zu bringen, dann hätte er schon viel erreicht
Quelle: kathpress