Priesterausbildung neu
Lebensnähe statt "Machtposition"
Priesterausbildung neu
Lebensnähe statt "Machtposition"
Priesterausbildung in heutiger Zeit darf nicht länger auf die Repräsentanz einer Machtposition in der Kirche, sondern muss auf das selbstlose Zeugnis des Evangeliums in der Welt von heute vorbereiten.
Das ist ein Schlüsselsatz in einem von der Katholisch-Theologischen Fakultät Graz vorgelegten Diskussionspapier, das das Vatikan-Dokument "Ratio Fundamentalis" zur Priesterausbildung aus dem Jahr 2016 in Österreich umsetzen helfen soll. Wie Dekan Christoph Heil auf der Website der Fakultät mitteilt, wurde die Stellungnahme der Grazer Theologen mit Verantwortlichen der Priesterausbildung in Österreich bereits diskutiert, überarbeitet und nun der Öffentlichkeit vorgelegt.
Warum eine Reform notwendig ist, zeigen schon allein jüngste Zahlen zu den derzeit in Ausbildung befindlichen Priesterkandidaten: 17 Neueintritte in Priesterseminar waren laut dem für die Berufungspastoral zuständigen Canisiuswerk im Studienjahr 2018/19 in ganz Österreich zu verzeichnen, davon allein 10 im privaten Leopoldinum Heiligenkreuz, der Ausbildungsstätte des Zisterzienserstiftes im Wienerwald. Keinen einzigen Neueintritt gab es in den Diözesen Graz-Seckau, Gurk-Klagenfurt, St. Pölten, Innsbruck und Feldkirch. Insgesamt befinden sich derzeit 120 Alumnen in einer Priesterausbildung.
In dem Positionspapier der Grazer Theologischen Fakultät heißt es dazu: In "Zeiten religiöser Selbstbestimmung" würden sich religiöses Sinnsystem, kirchliche Sozialform und gesellschaftliche Realität nicht mehr wechselseitig stützen. Soll heißen: "So etwas wie klassische Ausbildungsbiografien gibt es heute nicht mehr", erklärte der Grazer Priesterseminarregens Thorsten Schreiber kürzlich in der "Kleinen Zeitung". Trotz der beobachtbaren Sehnsucht vieler Menschen nach Transzendenzerfahrungen finde die Institution Kirche "nicht spontan zu neuer Relevanz", merken die Grazer Theologen an. Die Kirche müsse sich vielmehr "ihre Glaubwürdigkeit, die in letzter Zeit u.a. durch die Missbrauchsfälle schwer gelitten hat, über die Authentizität ihrer individuellen Repräsentanten erarbeiten".
Laut dem Positionspapier lautet die entscheidende Frage: "Wie bereitet man Menschen auf diese offene und anstrengende, aber auch chancenreiche und spannende Situation vor?" Und wie könne das katholische Priestertum seine Aufgabe im Volk Gottes "jenseits seiner herkömmlichen Machtattitüde und klerikalen Lebensform erfüllen"?
Weltzugewandtheit und Lebensnähe gefordert
Die Fachleute der Theologischen Fakultät empfehlen, die klassischen Elemente der Priesterausbildung - wie menschliche Bildung, spirituelle Vertiefung, theologisch-intellektuelle Ausbildung und pastorale Kompetenz - in "einen völlig neuen Rahmen" zu stellen. Konkret bedeute dies Förderung von Weltzugewandtheit und Lebensnähe und "Verantwortung für die individuelle Gestaltung der eigenen Wohn- und Lebenssituation": Jeder Priesteramtskandidat sollte phasenweise gemeinschaftliches Leben und Lernen praktizieren - "und zwar nicht nur unter gleichgesinnten und gleichgeschlechtlichen Kollegen", sondern etwa während eines verpflichtenden Auslandssemesters in Wohngemeinschaften, Familien, alleine oder in Studierendenheimen lebend. "Wer jungen Menschen frühzeitig die Freiheit der selbstverantworteten Lebensführung erspart, tut ihnen nichts Gutes", heißt es in dem Grazer Diskussionspapier.
Unabdingbar für eine gelungene Priesterausbildung sei es, den gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext zu berücksichtigen: Die heutige freiheitsbetonende Gesellschaft sei von Individualisierung und Pluralisierung gekennzeichnet, zudem zeigten sich unter Stichworten wie Konsum-, Multioptions-, Leistungs- und Sicherheitsgesellschaft neue Zwänge", und "Tendenzen einer fatalen Identitätspolitik" führten zu Abschottung und Entsolidarisierung im Widerspruch zum Geist des Evangeliums. Dies dürfe aber nicht zu Rückzug und Abschottung führen, die meist mit einer Abwertung der "Welt" einhergehen, betonen die Grazer Theologen. Vielmehr brauche ein Priester "ein von christlicher Hoffnung und Liebe durchdrungenes, grundsätzliches 'Ja' zum Menschen". Denn Kirche dürfe "nicht abgehoben von den Menschen leben, sondern ist mit und in ihnen".
"Nicht kulturpessimistisch hinterhertrotten"
Priester sollten - wie dies in der Kirchengeschichte ja häufig der Fall gewesen sei - ihren Gemeinden in der Wahrnehmung gesellschaftlicher Entwicklungen vorangehen, "nicht missmutig und kulturpessimistisch hinterhertrotten". Das Grazer Diskussionspapier empfiehlt deshalb nachdrücklich die Förderung gesellschaftspolitischer Wachheit, weiters sozialdiakonische Praktika, Konfrontation mit zeitgenössischer Kunst und Populärkultur, ökumenische und interreligiöse Dialogfähigkeit sowie "Basiskompetenzen in gendersensibler Leitung". Rückendeckung für dieses Augenmerk auf Weltzugewandtheit fanden die Autoren bei keinem Geringeren als Papst Franziskus, der über "gute Theologen" gemeint hatte, sie "riechen, so wie die guten Hirten, nach Volk und nach Straße".
Keine Abstriche solle es bei den intellektuellen und spirituellen Anforderungen für angehende Priester geben, hält das Positionspapier weiter fest. Sinnvoll sei es dabei, Bildungswege "wesentlich stärker als bisher individuell" zu gestalten und unterschiedlichen Begabungen großzügig Raum zu geben. Regens Schreiber legt - wie er der "Kleinen Zeitung" darlegte - auch Wert auf reife Persönlichkeiten: Vor Eintritt ins Seminar müsse jeder Kandidat ein positives psychologisches Gutachten über seine persönliche Eignung ausgestellt bekommen.
"Unsere Stellungnahme steht im Kontext der neuen 'Ratio Fundamentalis' zur Priesterausbildung", erläuterte Theologie-Dekan Christoph Heil den an seiner Fakultät erarbeiteten Text. An den Bischofskonferenzen liege es nun, das Vatikandokument lokal zu adaptieren - die Umsetzung in der katholischen Kirche Österreichs soll bis 2020 erfolgen. Zu diesem Prozess wolle die Grazer Katholisch-Theologische Fakultät Analysen und Anregungen vorlegen.
Quelle: kathpress