"Wird die 'Weltmuttersprache Mitgefühl' weiter gesprochen?"
Trotz manch besorgniserregender Entwicklung im Blick auf das soziale Klima im Land blickt Kardinal Christoph Schönborn zuversichtlich auf das Jahr 2019: "In unserem Land ist der Grundwasserspiegel des Mitgefühls nicht abgesunken", stellte der Wiener Erzbischof in seiner traditionellen Silvesteransprache im ORF-Fernsehen am Montagabend fest. Zugleich mahnte er jedoch, die "Weltmuttersprache Mitgefühl" im Land auch weiterhin zu bewahren:
Die Frage ist: Wird diese Weltmuttersprache in unserem Land weiter gesprochen werden? Denn man kann sie verlernen.
Sorgen würden ihm etwa die Menge an Hasspostings machen sowie Verschiebungen im gesellschaftlichen Diskurs:
Wenn ich sehe, dass Menschen, die Mindestsicherung brauchen, in den Verdacht des Sozialschmarotzertums geraten, dann macht mir das Sorge.
Die Frage, wie es weiter gehe mit dem sozialen Frieden im Land sei schließlich offen: "Wird es einen Klimawandel geben? Wird das soziale Klima härter, kälter, rücksichtsloser?"
Trotz dieser Fragen blicke er zuversichtlich in die Zukunft: "Es gibt so viele gute Initiativen in der Zivilgesellschaft, in der Kirche, in den Pfarrgemeinden. So viele Menschen nehmen sich Zeit für andere, um für sie da zu sein, um ihr Mitgefühl zu leben. Solange diese Weltmuttersprache bei uns eine vertraute Sprache ist, bin ich zuversichtlich."
Schönborn bezog sich mit seiner Formulierung auf André Heller, der in seiner Rede am 12. März 2018 zum 80-Jahr-Gedenken des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich von einer "Weltmuttersprache Mitgefühl" gesprochen hatte.
"Es ist ein gesegnetes Land"
In seiner Ansprache blickte Schönborn auch auf das Gedenkjahr 2018 zurück. Dabei rief er insbesondere drei Bezüge in Erinnerung: Das Gedenken an 1918 und das Ende des Ersten Weltkrieges mit seinem "sinnlosen Völkermorden" und den "giftigen Früchten" des Sowjetkommunismus und des Nationalsozialismus; das Gedenken an den Einmarsch Hitlers in Österreich vor 80 Jahren - ein Ereignis, das innerhalb kürzester Zeit "großes Leid und Elend über unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gebracht" habe.
Schließlich blickte Schönborn auch auf das Gedenken an den 100. Jahrestag der Gründung der Republik Österreich zurück:
Nach dem Ersten Weltkrieg glaubten viele nicht, dass es möglich ist, dass dieses kleine Land für sich bestehen kann, das heute unsere Heimat ist. Und doch: Dieses Land lebt; und ich würde sogar sagen: Es ist ein gesegnetes Land.
Quelle: kathpress