Gurk: Apostolischer Visitator lässt auf Weihnachtsfrieden hoffen
Vielleicht kehrt er ja doch noch rechtzeitig vor dem Fest ein - der Weihnachtsfrieden in und für die Diözese Gurk-Klagenfurt. Zumindest gibt es nun eine Entscheidung aus Rom, die für alle Beteiligten in dem festgefahrenen Konflikt um die Lage in der Diözese Gurk und das dortige Wirken von Bischof Alois Schwarz die Wogen einstweilen etwas glätten könnte: Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner wurde zum Apostolischen Visitator bestellt und beauftragt, sich ein umfassendes Bild von der Situation in der Diözese zu machen. Eine seiner vorrangigsten Aufgaben dürfte neben der Prüfung des bischöflichen Mensalguts wohl in der Beruhigung der Gemüter und der Rückgewinnung des Vertrauens in die Kirchenleitung liegen.
"Eine Unruhe, die die Diözese Gurk-Klagenfurt seit Jahren erfasst hat, ist mit der Sedisvakanz aufgebrochen", heißt es in einer Erklärung des Salzburger Erzbischofs zu seiner Bestellung. Seine erste Aufgabe bestehe daher darin, "zu hören" und "mit größtmöglicher Offenheit auf alle Seiten zu[zu]gehen", alles zu prüfen und den Bericht nach Rom zu übermitteln, so Lackner, der ab Mitte Jänner vor Ort die Situation klären will.
Begrüßt wurde die Einsetzung eines Visitators gleichermaßen von Bischof Schwarz und Diözesanadministrator Engelbert Guggenberger. Guggenberger erklärte in einer Aussendung, er begrüße die Ernennung Lackners "ausdrücklich und vorbehaltlos" - er und seine Kollegen würden sich "über die so zeitnahe Reaktion der vatikanischen Stellen auf die Veröffentlichung des Prüfberichtes des Bischöflichen Mensalgutes" freuen. Bischof Schwarz hatte seinerseits in einem ORF-Interview am Donnerstag erklärt, "dankbar und froh" zu sein. Zugleich zeigte er sich über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe "fassungslos": Er habe in Kärnten insgesamt erfolgreich gewirtschaftet und auch die Zölibats-Vorwürfe wolle er nicht auf sich sitzen lassen.
Chronologie der Ereignisse
Fahrt aufgenommen hatte die öffentlich ausgetragene Auseinandersetzung vor zehn Tagen, als eine für den 10. Dezember anberaumte Präsentation des Prüfberichts einer Wirtschaftsprüfungskanzlei über die Vorgänge im Bistum Gurk kurzfristig durch die vatikanische Bischofskongregation per Weisung unterbunden wurde. Es sei Usus, dass dieser Bericht zunächst an die zuständige Bischofskongregation ergehen und von dieser geprüft werden müsse, hieß es dazu. In Folge hatte zunächst Bischof Alois Schwarz in einem Statement erklärt, dass der vorliegende Bericht die "Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften" bestätige und seinerseits keine das Bistum gefährdenden oder beeinträchtigenden Maßnahmen gesetzt worden seien. Seine Tätigkeiten hätten sich "immer an den Vorgaben des Kirchenrechts orientiert", nämlich dem Auftrag der Erhaltung und Vermehrung des Bistumsvermögens. Ihm sei daher wichtig, "Investitionen nicht als Schaden darzustellen."
Im Blick auf das zum bischöflichen Mensalgut gehörende Bildungshaus in St. Georgen/Längsee gab Schwarz zu bedenken, dass Bildungshäuser generell keine Einkommensquellen, sondern so wie in anderen Diözesen auch "Zuschussbetriebe" seien, nicht zuletzt aufgrund der nötigen Investitionen, um sie auf einen "zeitgemäßen Stand zu bringen". Zur öffentlichen Diskussion rund um seine Person erklärt Bischof Schwarz, dass es ihm leid tue, mit seinem Weggang aus Kärnten "für soviel Irritationen gesorgt" zu haben. Zugleich betonte Schwarz, dass der vorliegende Prüfbericht nur "ein kleines Segment der Tätigkeiten des Bistums" darstelle. Die prüfende Kanzlei sei seit vielen Jahren auch Wirtschaftsprüfer der Diözese und zeichne ein klares und positives Bild.
Kritik an Amts- und Lebensführung
Das Gurker Domkapitel hatte daraufhin seinerseits eine Presseerklärung abgegeben, um - wie es in dem am 18. Dezember von Diözesanadministrator Engelbert Guggenberger verlesenen Pressestatement hieß - der Lesart des Berichts durch Bischof Schwarz eine "komplementäre Darstellung" zur Seite zu stellen und außerdem einen "Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Bistum" vorzulegen. Er ist eine Art Gesamtbericht in den u.a. auch die Ergebnisse des Wirtschaftsprüfungsberichts über das Bischöfliche eingeflossen sind.
In ihrem Statement erhoben die acht Mitglieder des Domkapitels auch schwere Vorwürfe bezüglich der "Amts- und Lebensführung" von Bischof Schwarz. Sie kritisierten "fragwürdige Personalentscheidungen" und sprachen von einem "System Bischof Schwarz", dem man wider besseres Wissen in den vergangenen zehn Jahren keinen Einhalt habe gebieten können. Zudem habe die "Beziehung des Bischofs zur früheren Leiterin des Bildungshauses St. Georgen bis heute [für] Gerede, Gerüchte und Spekulationen" gesorgt: "Aufgrund seiner Lebensführung war der Bischof in seiner Amtsführung immer mehr beeinträchtigt, weil er für Priester im Zusammenhang mit der Zölibatsverpflichtung erpressbar war", hieß es in dem Statement.
Diözesanadministrator Guggenberger scheute auch nicht vor einem historischen Vergleich zurück: So hätten zahlreiche Menschen in Anrufen, SMS, Mails und Briefen ihrem Unmut Ausdruck verliehen und mangelnde Transparenz in der Kirche sowie einen "Rückfall in überwunden geglaubte Verhaltensmuster aus der Zeit der Affäre rund um Kardinal Groer" moniert, erklärte Guggenberger. Tatsächlich hatten sich zuvor bereits mehrere Vertreter der Katholischen Kirche in Kärnten öffentlich hinter Guggenberger gestellt, darunter Ordinariatskanzler Jakob Ibounig, die Betriebsratsvorsitzenden der Diözese, die Katholische Aktion Kärnten und der Vorstand der diözesanen Dechantenkonferenz.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Absage der Pressekonferenz zur Präsentation des Abschlussberichts hatte Guggenberger außerdem in seiner Funktion als Diözesanadministrator mehrere Personalentscheidungen für die Zeit der Sedisvakanz getroffen und das Bistum sowie die Finanzkammer der Diözese unter eine neue Führung gestellt. So wurde u.a. der bisherige wirtschaftliche Geschäftsführer des Bistums, Andreas Maier, vom Ökonom des Gurker Domkapitels, Stiftspfarrer Gerhard Christoph Kalidz, abgelöst; auch der diözesane Finanzkammerdirektor Walter Walzl legte seine Funktion zurück - ihm folgte der früherer Finanzkammerdirektor und Ökonom der Diözese, Franz Lamprecht.
Darüber hinaus hatte Guggenberger eine Zweckwidmung der Bistumserträge zugunsten des "ureigensten Stiftungszwecks des Bistums durch die Heilige Hemma" verordnet, nämlich die Unterstützung von Pfarren und pastoralen Initiativen der Diözese. Weiters verfügte Guggenberger die Verschränkung der Verwaltungseinheiten von Diözese und Bistum im Bereich der Entscheidungs- und Kontrollgremien.
Kritischer Abschlussbericht
Der vom Domkapitel präsentierte Abschlussbericht spricht von einer besorgniserregenden wirtschaftlichen Entwicklung des Bischöflichen Mensalguts. In den Rechnungsabschlüssen des Bistums seien 2014 und 2015 noch Überschüsse erzielt worden, die Bilanz für die beiden Folgejahre zeige jedoch rote Zahlen in der Höhe von 0,7 Millionen bzw. 1,9 Millionen Euro. Dies sei "vor allem darin begründet, dass es in den Jahren 2016 und 2017 im Hotel- und Bildungsbereich eine massive Steigerung der Verluste gab". Betroffen sei davon hauptsächlich das Bildungshaus St. Georgen samt dem Hotelbetrieb im Stift, dessen Auslastung vergleichsweise gering war. Die Mitarbeiterkosten seien ab 2016 - nach der Einsetzung der Bildungsverantwortlichen Andrea Enzinger durch Bischof Schwarz - enorm gestiegen: zwischen 2015 und 2017 um rund 60 Prozent.
Kritisch äußerte sich der Bericht im Blick auf das um eine Million Euro gebaute Stiftsbad sowie eine Bilanzbeschönigung: "Im Bildungsbereich wurden 2016 und 2017 die Teilnehmerzahlen falsch dargestellt, indem die Besucher von Konzerten den Teilnehmern der hauseigenen Veranstaltungen hinzu gezählt wurden". Unter der Leitung Enzingers habe ein Arbeitsklima geherrscht, "das befragte Mitarbeiter als 'verheerend' bezeichneten", heißt es weiter.
"Insbesondere bei der Besetzung von Leitungsfunktionen" seien die Vorgaben des seit 2013 geltenden Statutes nicht eingehalten worden. Da einzelne Mitglieder des Wirtschaftsrates mit dieser Vorgangsweise nicht einverstanden waren, habe Bischof Schwarz den Wirtschaftsrat mit 31. Jänner 2018 aufgelöst und durch einen Fachbeirat mit ausschließlich beratenden Kompetenzen ersetzt. Nach seiner interimistischen Übernahme der Diözesanleitung machte Guggenberger diesen Schritt - "weil dem kanonischen Recht widersprechend" - wieder rückgängig, wie es im Abschlussbericht dazu heißt.
Der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner hatte die Weichenstellungen in Richtung höherer wirtschaftlicher und finanzieller Transparenz durch Diözese und Bistum begrüßt. Zugleich aber empfahl er im Ö1-Morgenjournal-Interview die Vereinigung beider Finanztöpfe im Sinne der Transparenz. Zweifel äußerte Zulehner indes an den immer wieder laut gewordenen Vorwürfen, Bischof Schwarz habe ein "Zölibatsproblem". Das eigentliche Problem habe darin bestanden, dass mit Andrea Enzinger eine "Schattenfrau im Hintergrund" Entscheidungen getroffen habe, die eigentlich dem Bischof vorbehalten seien.
Für Transparenz und eine rasche Klärung des Sachverhaltes und der Vorwürfe hatte sich zuvor auch Kardinal Christoph Schönborn stark gemacht. Er hoffe, dass es "zeitnahe eine klare Information über die Ergebnisse des Prüfberichts aus Rom" geben werde und so tatsächlich auch in Kärnten "Weihnachten in Frieden" gefeiert werden könne.
Quelle: kathpress