P. Wallner: Kirche müsste viel mehr über Gott reden
Im christlichen "Krisengebiet Nummer eins" Europa müsste die Kirche viel mehr über Gott reden und die "Dimension des Heiligen" nicht länger vernachlässigen. "Missio"-Nationaldirektor P. Karl Wallner sieht hier ein schwerwiegendes Versäumnis, ja eine "große Schuld" der Kirche an der zunehmenden Verdunkelung ihrer Botschaft, wie er in einem Weihnachtsinterview der Wochenzeitung "Die Furche" darlegte. Das Christentum sei hierzulande "über Jahrhunderte eine große Selbstverständlichkeit geworden, sodass diese Gänsehaut, die man bekommt, wenn man den Kern freilegt, verloren gegangen ist".
Dieser Kern besteht nach den Worten des Heiligenkreuzer Zisterziensers in der Paradoxie, "dass der unendliche Gott seine Ferne aufgegeben hat, um uns Menschen nahe zu sein". Weihnachten sei "eigentlich ein unmögliches Fest", weil es letztlich nicht vorstellbar sei, dass sich das Absolute in Gestalt des Partikulären - als schwaches Kind in der Krippe - offenbart. Nicht umsonst habe der Kirchenvater Tertullian deshalb gemeint: "Credo quia absurdum" - "ich glaube das, weil es menschlich nicht ausdenkbar ist". Und die Menschwerdung ist - so P. Wallner - nicht das Letzte bei der Zuwendung Gottes, sondern das vermeintliche, "noch einmal unerfindlichere" Scheitern Christi am Kreuz.
Die meisten Menschen würden über solche Dinge jedoch nicht viel nachdenken, bedauerte der Ordensmann. Man begnüge sich mit einer oberflächlichen Feierkultur, die schon im Oktober beginne. Die eigentliche Provokation der Frohbotschaft werde "tunlichst vermieden" und "zugeschaufelt durch das ganze Drumherum".
Er sei jedoch "kein radikaler Anti-Kulturchrist" und könne sich z.B. an der weihnachtlichen Straßenbeleuchtung und der dahinter liegenden Sehnsucht nach Licht in dunklen Tagen durchaus erfreuen, versicherte Wallner. Er trete für eine Ausgewogenheit zwischen Tradition und Festkern ein. Das wichtigste Fest des Jahres gelte es als Verkündigungs-Chance zu nützen. Der "Missio"-Nationaldirektor setzt dafür auch auf die sozialen Medien und deren große Reichweite; auch dort sei es sehr gut möglich zu bezeugen, "dass man in diesem Glauben an Jesus lebt und darin glücklich ist".
Menschen sind ansprechbar für Transzendenz
Auch in einer entchristlichten Region wie im ostdeutschen Brandenburg mit nur sechs Prozent Getauften, wo die Heiligenkreuzer Zisterzienser heuer das Kloster Neuzelle wieder besiedelten, seien die Menschen ansprechbar für Transzendenz, "die Kirche ist immer voll". Vorrangig müsse die Botschaft nahegebracht werden, "dass es einen Gott gibt, der dich in deiner Endlichkeit will, der dir nahe sein möchte, und dass das etwas Sensationelles ist".
P. Wallner erinnerte daran, dass laut dem Weihnachtsevangelium der "Eröffnungsruf" für das Christentum nicht "Ich verkünde Euch ein großes Problem", sondern "Ich verkünde Euch eine große Freude" gewesen sei. Dies gelte es kirchlicherseits hervorzustreichen, um dem Abwandern der Menschen in "Surrogate" wie z.B. die Esoterik zu begegnen. Der Fokus solle zudem nicht auf "irgendwelchen moralischen Forderungen" oder einer "sozialethischen Lehre" liegen, die Jesus auch gar nicht verkündet habe. Die Menschen seien ihm nachgelaufen, weil seine Botschaft "Steh auf, nimm deine Bahre und geh" oder "Deine Sünden sind dir vergeben" lautete.
Seit der Aufklärung sei die Kirche in Europa "extrem schwach geworden", bedauerte Wallner. Man traue ihr nichts mehr zu, "man sieht uns als großen Hemmschuh des Fortschritts". Als einen von vielen Fehlern, aus denen die Kirche in Europa zu lernen habe, nannte Wallner das unterentwickelte Laienchristentum. In Afrika z.B. gebe es "keine Konkurrenz zwischen Laien und geweihtem Amt". Durch Papst Franziskus gebe es bereits einen "Umkehrschub" in Richtung missionarische Kirche. "Wir haben eine Papst aus einem Missionsland, der an die Ränder geht, der aber Europa ein bisschen außen vor lässt." Insofern stehe hier die Kirche in der Verantwortung zu überlegen, "wie wir eine neue Dynamik der Glaubensverkündigung finden".
Quelle: kathpress