"Druck auf Arme steigt": Caritas schnürt "Gruft-Winterpaket"
Die sinkenden Temperaturen machen das Leben obdachloser Menschen auf Wiens Straßen zunehmend beschwerlich. Die Caritas der Erzdiözese Wien schnürt deshalb auch heuer wieder ihr traditionelles "Gruft-Winterpaket": 50 Euro kosten ein winterfester Schlafsack und eine warme Mahlzeit für einen Obdachlosen. Die Hilfe sei nötiger denn je, denn immer mehr Menschen würden die Angebote der Caritas in Anspruch nehmen, erläuterte Caritas-Präsident Michael Landau bei einem Pressegespräch am Mittwoch. Sozialarbeiter der Organisation schätzen, dass in Wien einige hundert Menschen von akuter Obdachlosigkeit betroffen und die Zahlen im Steigen begriffen sind.
Spürbar werde das in der Caritas-Obdachloseneinrichtung "Gruft" im 6. Wiener Gemeindebezirk. Dort habe sich die Zahl der ausgegebenen Essen von 2000 (65.000 Mahlzeiten) bis 2018 (111.000 Mahlzeiten) fast verdoppelt, so Landau. Und auch die Nächtigungen blieben konstant hoch. Bis zum 30. November 2018 verzeichnete die Organisation bereits 20.151 Übernachtungen; im Vorjahr waren es insgesamt 22.400. Ähnliches gilt für die Beratungsangebote in der "Gruft" und im Rahmen des Streetworks. Bis 30. November 2018 betreuten Sozialarbeiter bereits 2.877 Menschen und führten 42.039 Beratungsgespräche. Im Vorjahr waren es 2.877 Menschen und 42.039 Beratungsgespräche. Der Winter dauere allerdings noch an. Landau rechnet deshalb mit einer stärkeren Nachfrage nach Caritas-Angeboten als noch im Vorjahr.
290 zusätzliche Notquartiersplätze
Um wirklich keinen Klienten abweisen zu müssen, hat die Organisation die Zahl der Notquartiersbetten Anfang November um 290 Plätze aufgestockt, so Generalsekretär Klaus Schwertner. Und auch das Streetwork der "Gruft" wurde auf sieben Tage die Woche ausgeweitet. Das Kältetelefon der Organisation ist nach wie vor rund um die Uhr unter 01/480.45.53 erreichbar. Bereits mehr als 1.200 Anrufe seien seit Anfang November eingegangen, so der Generalsekretär. Im Canisibus haben freiwillige Mitarbeiter in diesem Jahr bereits 80.083 Suppen ausgeteilt. Im Louisebus, der mobilen medizinischen Versorgungseinheit, wurden bis 30. November 7.788 Behandlungen an 2.054 Personen vorgenommen. 2017 waren es 8.729 Behandlungen an 2.332 Personen. "Diese Hilfe wirkt und sie wird dringend gebraucht."
Obwohl die öffentliche Hand in Wien viel leiste, sei die Caritas auf Spenden angewiesen. "Ohne Spenden kein Streetwork, kein Kältetelefon, kein Kältebus und keine lebensrettende Arbeit. Wir brauchen die Unterstützung, damit möglichst niemand auf den Straßen erfrieren muss", richtete sich Schwertner an die Wiener und Wienerinnen. Alleine in die "Gruft" fließen pro Jahr mehr als 400.000 Euro an Spendengeldern. Dringend gesucht werden auch Sachspenden und hier vor allem warme Winterkleidung.
Anstieg bei obdachlosen Frauen
Sorgen macht der Caritas auch der Anstieg bei obdachlosen Frauen. Belief sich der Frauenanteil vor 20 Jahren noch auf rund 20 Prozent, so lag er im Vorjahr bereits bei 36 Prozent. Wohnungslosigkeit bei Frauen habe ein spezifisches Gesicht und brauche auf Frauen zugeschnittene Angebote. Viele der Frauen seien nämlich nicht nur obdachlos, sondern auch Opfer von Gewalt, erläuterte Schwertner.
Die Menschen auf der Straße werden auch immer jünger. Ein Drittel jener, die sich zum ersten Mal an die Caritas wenden, ist jünger als 30 Jahre. Im Caritas-Wohnhaus "JUCA" für junge Wohnungslose sei der Altersdurchschnitt in den letzten zehn Jahren von 27 auf 21 Jahre gesunken, so der Generalsekretär. Besondere Hilfe benötigten auch obdachlose Menschen mit psychischen Erkrankungen. Schwertner:
Wir müssen weiter an unseren Angeboten arbeiten: Es geht um mehr frauenspezifische Unterstützungsangebote, ebensolche für psychisch kranke Menschen in den Häusern, aber auch um pflegerische Angebote für Männer und Frauen, die auf der Straße körperlich stark abgebaut haben.
Unterstützt wird die Aktion heuer von Schauspieler Manuel Rubey. "Wir alle, die wir durch die Lotterie des Lebens begünstigt sind, sollten nicht vergessen, dass zwischen Normalität und Abgrund oft nur ein kleiner Spalt ist", sagte er am Mittwoch bei der Pressekonferenz. Den Wienern gab er das Zitat mit auf den Weg: "Tu nicht so, als seist du nicht die Gesellschaft."
Landau nutzte die Gelegenheit auch, um sich mit einem Appell an die Bundesregierung zu wenden.
Wenn ich dieser Tage von den geplanten Änderungen bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung höre, dann weiß ich schon heute: Sollten diese Änderungen umgesetzt werden, werden wir das in unseren Einrichtungen spüren. Ganz einfach, weil es nach dieser Kürzung mehr Menschen geben wird, die am Monatsende nicht wissen, ob sie mit dem verbliebenen Geld essen oder heizen sollen.
Er forderte die Regierung deshalb auf, die angedachten Kürzungen zu überdenken, denn Ziel einer jeden Reform müsse es schließlich sein, "dass es den Menschen danach besser und nicht schlechter geht".
(Spendenkonto: IBAN: AT163100000404050050; BIC: RZBAATWW; Kennwort: "Gruft Winterpaket"; Online-Spenden: www.gruft.at)
Quelle: kathpress