Mindestsicherung neu: Landau fordert "Realitätscheck"
Einen "Realitätscheck" zum vorliegenden Gesetzesentwurf für die Neuregelung der Mindestsicherung in Österreich hat Caritas-Präsident Michael Landau gefordert. Er habe den Eindruck, dass der vorliegende Entwurf "von Politikern geschrieben wurde, die sehr, sehr weit entfernt sind von der Realität betroffener Menschen", sagte Landau am Sonntag in der ORF-Sendung "Hohes Haus".
Betroffen von den angekündigten Neuregelungen seien vor allem kinderreiche Familien, aber letztlich werde das Gesetz "alle treffen" - und dies bei nur marginalen Einsparungen für das Budget, zeigte der Caritas-Präsident auf. Wenn eine Mutter etwa ab dem dritten Kind nurmehr mit 1,43 Euro pro Tag dieses Kind ernähren, kleiden und ihm Wohnraum bieten soll, so habe dies "mit Gerechtigkeit nichts zu tun". So werde mit geringem budgetären Effekt zugleich "ein erheblicher Schaden verursacht".
Von den Abgeordneten erhofft sich Landau nun eine gewissenhafte Debatte und Prüfung des vorliegenden Entwurfs:
Reden wir darüber, damit Kinder- und Altersarmut in Österreich sinkt und nicht steigt.
Tatsächlich weise die Regierung ja auf einen Missstand hin, den es zu bekämpfen gelte, nämlich die Tatsache, dass immer weniger Menschen von ihrer Arbeit leben können. Darauf gelte es eine Antwort zu geben, die jedoch nicht darin bestehen dürfe, einkommensschwache kinderreiche Familien noch weiter zu schwächen. "Es geht um ein richtiges und wichtiges Thema - aber die Antwort ist hochproblematisch", so Landau.
Eine Bündelung der Kompetenzen zur Mindestsicherung allein beim Bund sieht der Caritas-Präsident indes ebenfalls kritisch. "Die Länder sind oft näher an den Menschen". Er würde sich daher wünschen, dass die Länder ihre Kompetenzen in Teilen behalten können und "weiterhin mitreden und mitgestalten".
Caritas warnt vor "bösen Überraschungen"
Die Caritas ruft die Abgeordneten und die sozialen Organisationen zu einer gewissenhaften Begutachtung des vorliegenden Gesetzesentwurfs zur Neuregelung der Mindestsicherung auf und legt erste besorgniserregende Berechnungen vor, die aufzeigen, dass Familien mit drei Kindern bis zu 6.000 Euro pro Jahre weniger zur Verfügung haben werden. Der Gesetzesentwurf halte bei genauerer Betrachtung "böse Überraschungen" bereit, heißt es in einer Aussendung der Caritas vom Sonntag. Zweifelhaft sei außerdem, ob der Entwurf angesichts einer über die Hintertür eingefügten Deckelung von Leistungen überhaupt verfassungskonform sei, zweifelt der Generalsekretär der Caritas der Erzdiözese Wien, Klaus Schwertner, in der Aussendung an.
Konkret weist die Caritas etwa darauf hin, dass die im Vorfeld als Verbesserung für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher beworbenen Zuschläge sich bei genauer Betrachtung als nur optional darstellen: die Länder können sie einführen, müssen dies aber nicht. Gleiches gelte für die Zuschläge für Menschen mit Behinderung. Außerdem sei - trotz Ablehnung einer Deckelung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) im Fall der Regelung in Niederösterreich - im vorliegenden Entwurf ein Deckel enthalten: So soll dieser künftig auf alle Erwachsenen angewendet werden, die in einem Haushalt leben. Angesichts des VfGH-Urteils in Niederösterreich und weiterer Verfahren zu den Regelungen in Oberösterreich und dem Burgenland riskiere die Bundesregierung also "einen verfassungswidrigen Entwurf in die Begutachtung zu schicken".
Dramatisch gestalten sich die Rechenbeispiele, die die Caritas auf Basis der Gesetzesvorlage durchgeführt hat: So werde eine Mindestsicherung beziehende Familie mit einem Kind in Wien künftig monatlich 241 Euro weniger zur Verfügung haben. Bei drei Kindern summiere sich der Verlust künftig auf 6.000 Euro pro Jahr, rechnet die Caritas vor. In Wien, wo der Großteil der Mindestsicherungsbezieher lebt, wäre mit diesen Einschnitten nicht allein - "auch in anderen Bundesländern wird es bei der Umsetzung dieses Entwurfs zu zwingenden Verschlechterungen für Familien kommen", so Schwertner.
Das gilt für Familien mit Fluchthintergrund genauso wie für kinderreiche Familien.
Quelle: kathpress