Kindergarten, Religion, Kopftuch: Angst vor Sanktionen Problem
Der Kindergarten müht sich sehr mit der Baustelle des "Wertekompass", der Teil der aktuellen 15a-Vereinbarung für den Ausbau der Kinderbetreuung ist: Das wurde bei einer Expertentagung klar, die die "Interdiözesane Arbeitsgemeinschaft für Elementarpädagogik" (IDA) dieser Tage in Wien abgehalten hat. Titel der Fachtagung war "Was gehen uns die anderen an?". Vulgo wird der "Wertekompass" oft als "Kopftuchverbot-Erlass" zusammengefasst.
Die in Österreichs Kindergärten tätigen Pädagoginnen und Pädagogen befinden sich derzeit in einer schwierigen Situation. Einerseits sollen sie für eine flächendeckende Umsetzung des 'Wertekompasses' sorgen, inklusive Kopftuchverbot, andererseits möchten wir, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter religiöse und kulturelle Pluralität der Kinder wertschätzen. Sie sind gefordert, thematisch kindgerechte Bildungsimpulse zu setzen.
So beschrieb Susanna Haas, Koordinatorin der IDA und pädagogische Leiterin der Wiener diözesanen St. Nikolausstiftung, die Situation. Vor allem die Angst vor möglichen Sanktionen seitens des Bundes verunsichere, so Haas.
Zu der Tagung waren Expertinnen und Experten aus dem elementaren Bildungsbereich wie BAfEP-Direktorinnen, Abteilungsvorstände, Verantwortliche des österreichischen Kindergarten- und Hortwesens aus dem diözesanen Bereich sowie dem Ordensbereich zusammengekommen. Dabei setzten sie sich fachlich mit religiöser und kultureller Pluralität im Kindergarten auseinander.
Unbeholfenheit im Umgang mit Religion
Vor allem ungeklärte Fragen zu genauer Handhabung und auch Sanktionierung würden in der Branche Unsicherheit auslösen, hieß es. Nina Hover-Reisner, Studiengangsleiterin Sozialmanagement in der Elementarpädagogik an der FH Campus Wien, präsentierte den Tagungsteilnehmern dazu die Studienergebnisse der Pluki-Studie ("Pluralität in Wiener Kindergärten und Kindergruppen unter besonderer Berücksichtigung sogenannter 'islamischer' Einrichtungen").
Fazit Hover-Reisners: "In unserer Untersuchung haben wir Unbeholfenheit und Unsicherheit von Pädagoginnen und Pädagogen im Umgang mit Religion und religiöser Vielfalt wahrgenommen. Sichtbar wurde dies in der Studie daran, dass der Umgang mit Religion und religiöser Vielfalt eher aus einem Alltagsverständnis heraus behandelt wird und weniger basierend auf fachlich begründbaren Positionen. Pädagoginnen und Pädagogen sind Teil einer Gesellschaft, die Religion, und besonders dem Islam, mit tendenziellem Unverständnis und Abwertungen gegenüber steht. Sie spiegeln hier also eine gesellschaftliche Realität."
Umgekehrt sei jedoch die Anerkennung anderer Kulturen und Religionen, die ein gutes Miteinander ausmache, so Prof. Henning Schluss vom Institut für Bildungswissenschaften an der Universität Wien. Er erarbeitete in seinem Impulsvortrag die Frage nach dem "Anders sein" und erinnerte, dass bei Fragen wie "Was gehen uns die Anderen an?" die Definition der "Anderen" notwendig sei. "Und dann kommen wir sehr schnell zu der Erkenntnis, dass wir alle 'andere' sind", so Schluss. Mit dieser Schlussfolgerung lasse sich somit auch "das Andere" leichter anerkennen.
Die Forderung der Teilnehmer bei der Tagung lautete, dass endlich die vielzitierte Verbesserung der Rahmenbedingungen im Kindergarten seitens der Politik schrittweise umgesetzt wird. Denn eine der zukünftigen Herausforderungen von Bildungseinrichtungen und Trägerorganisationen der Elementarpädagogik werde sein, Pädagoginnen und Pädagogen intensiver im Bereich der religiösen und kulturellen Vielfalt zu unterstützen, um ihnen den Umgang mit Diversität im Kindergartenalltag zu erleichtern.
Quelle: kathpress