Caritas übt Kritik an Mindestsicherungs-Kürzung für Familien
Die Caritas hat Kritik an Teilen der am Mittwoch vom Ministerrat beschlossenen Mindestsicherungs-Regelung geübt, vor allem daran, dass sie massive Kürzungen bei großen Familien beinhaltet. "Gerade Familien werden die Kürzungen der Mindestsicherung zu spüren bekommen. Bei Paaren wird um 10 Prozent gekürzt, und für Kinder wird es gestaffelte Beiträge geben. Ab dem 3. Kind stehen überhaupt nur mehr 5 Prozent des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes - also 43 Euro - zur Verfügung", so die kirchliche Sozialorganisation in einer Aussendung am Mittwoch. Und Caritas Österreich-Generalsekretär Bernd Wachter wörtlich: "Wer hier spart, spart an der Zukunft Österreichs."
Kinder und damit kinderreiche Familien zurückzulassen und ihnen eine Teilnahme am gesellschaftlichen Miteinander zu verwehren, könne sich die Gesellschaft nicht leisten, denn - so Wachter -:
Arme Kinder haben weniger Chancen auf Bildung, weniger Möglichkeiten, sich zu entwickeln. Das ist in Österreich jetzt schon Realität. Wenn wir den Gürtel hier nochmals enger schnallen, wird der Alltag für diese Kinder noch viel schwerer. Unserem Staat muss jedes Kind gleich viel wert sein.
Arm trotz Arbeit oder Pensionsbezug
70 Prozent der Mindestsicherungsbezieher seien Aufstocker, erinnerte die Caritas. Diese haben ein Einkommen oder beziehen Leistungen, die unter der Höhe der Bedarfsorientierten Mindestsicherung liegen - etwa die Pension - und erhalten daher eine Aufzahlung. Aber "gerade unter den Aufstockern ist der Anteil von Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen überdurchschnittlich und sind die Belastungen für Kinder besonders hoch", so Wachter.
Auch das Festmachen der Mindestsicherungsbezüge an Deutschkenntnissen sieht die Caritas kritisch. Der Caritas-Generalsekretär:
Damit die Menschen hier in Österreich möglichst rasch auf eigenen Beinen stehen, ist es hilfreich, Deutsch zu lernen. Allerdings widerspricht es sich, Sprachkurse zu kürzen und gleichzeitig Sprachkenntnisse als Bedingung an Sozialleistungen zu knüpfen.
Wie viele Bezieher von Mindestsicherung Migrationshintergrund haben oder wie gut ihre Deutschkenntnisse seien, lasse sich zudem aus der aktuellen Statistik nicht ablesen.
Wachter erinnerte erneut, dass die Bedarfsorientierte Mindestsicherung eingeführt wurde, um Menschen zu unterstützen, die aus dem Versicherungsprinzip gefallen oder nie hineingekommen seien, sowie jene, die so geringe Arbeitseinkommen beziehen, dass sie davon nicht leben können:
Von der Leistung Bedarfsorientierte Mindestsicherung profitieren wir alle, weil es durch zu große Ungleichheit soziale Spannungen gibt. Zu einer zukunftstauglichen Gesellschaft in Österreich gehören Zusammenhalt und soziale Sicherheit. Diesen Grundsatz sollte die Regierung nicht aus den Augen verlieren.
Auch Kritik von "Aktion Leben"
In die gleiche Kerbe schlug am Mittwoch auch die überkonfessionelle "Aktion Leben". "Dass ausgerechnet bei Kindern die größten Kürzungen passieren, führt in eine Sackgasse", betonte die Generalsekretärin des Vereins, Martina Kronthaler.
Gerade Kinder bräuchten ein stabiles Umfeld, um sich bestmöglich entfalten zu können. Die geplanten Kürzungen führten jedoch noch mehr Kinder in die Armut und gefährdeten so ihre Bildungs- und Lebenschancen.
"Das ist das falsche Signal. Ziel der Politik sollte sein, dass alle Kinder gleichen Zugang zu Bildung haben und sich dadurch als Erwachsene selbst erhalten können. Wer arm ist, hat wenig Ressourcen für Bildung und Teilhabe", so Kronthaler.
Die "Aktion Leben" rief die Regierung auf, die geplanten Kürzungen bei Kindern zurückzunehmen.
Die Kürzungen werden vielen Kindern Lebensmut und Lebensfreude nehmen. Gerade das aber brauchen wir heute dringender denn je.
Begrüßt wird von dem Verein, dass Alleinerziehende eine höhere Mindestsicherung bekommen sollen. Ebenso sei es sinnvoll, dass Menschen über einen befristeten Zeitraum nicht gleich die gesamte Mindestsicherung verlieren, wenn sie mit einem kleinen Gehalt erwerbstätig seien.
Auch die "Österreichische Plattform für Alleinerziehende" meldete sich zu Wort und appellierte an die Regierung, die Mindestsicherung menschenwürdig zu gestalten und die Armut nicht weiter zu verfestigen. Die Veränderungen in der neuen Mindestsicherung seien "einmal mehr ein Sparen an denen in unserer Gesellschaft, die staatliche Unterstützung am dringendsten brauchen", so Vizevorsitzende Evelyn Martin. Zu der betroffenen Gruppe gehörten zu einem hohen Anteil auch Alleinerziehende und ihre Kinder. Die zukünftigen Differenzierungen bei Kinderzuschlägen seien nämlich ausgrenzend, sie machten zusätzliche Probleme auf.
"Gerade eine Abstufung nach Kinderanzahl hat für Alleinerziehende mit drei kleineren Kindern massive Auswirkungen. Hier werden die Kürzungen deutlich spürbar und gleichzeitig sinken die Chancen auf eine existenzsichernde Erwerbsarbeit", kritisierte Martin. Außerdem sei "überhaupt nicht einzusehen, warum Kinder aus Paarfamilien anders behandelt werden als Kinder aus Alleinerziehenden Familien". Der Mehrbelastungen von Alleinerziehenden Familien müsse vielmehr in anderen Unterstützungssystemen -. wie etwa in der Unterhaltsregelung - Rechnung getragen werden.
Martin wies darauf hin, dass ausreichende Kinderzuschläge vor allem Bildungschancen sicherten:
Bereits jetzt ist es Kindern in rund 20 Prozent der Haushalte mit Mindestsicherungsbezug aus finanziellen Gründen nicht möglich, an Schulaktivitäten teilzunehmen. Mit der Neuregelung der Kinderzuschläge in der Mindestsicherung läuft Österreich Gefahr, jungen Menschen den Bildungszugang zu erschweren und ihre Armutslage zu verfestigen.
Quelle: kathpress