"Pro Oriente" will Beitrag zur Versöhnung auf dem Balkan leisten
Die Stiftung "Pro Oriente" will einen konkreten Beitrag zur Versöhnung der Völker und Länder auf dem Balkan leisten. Das hat "Pro Oriente"-Präsident Alfons Kloss anlässlich der derzeit in Wien stattfindenden Tagung der "Pro Oriente"-Historikerkommission betont. Die Tagung steht unter dem Motto "Von der Spannung zur Versöhnung". "Pro Oriente" habe sich von Anfang an als "unabhängige Plattform bei der Vermittlung in religionsrelevanten Konflikten" verstanden, auch als Ort des Dialogs bzw. der Aufarbeitung von Hintergründen zu aktuellen Spannungen, so Kloss.
Die Situation in Südosteuropa sei deshalb auch schon sehr früh in den Fokus von "Pro Oriente" gerückt. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre wurden Friedensinitiativen zu den Vorgängen im damaligen Jugoslawien gestartet, so etwa Vermittlungs- und Gesprächsinitiativen im kirchlichen Bereich. Nach und nach habe sich die Frage nach einer strukturierteren Bearbeitung auch der historischen Hintergründe gestellt, was zur Gründung der "Pro Oriente-Kommission für südosteuropäische Geschichte" führte. Ihre Aufgabe sei die Aufarbeitung von Geschichtsbildern, "mit dem Ziel eines konkreten Beitrags zur Versöhnung in der Region", so Kloss.
Jugoslawien-Kriege kaum religiös motiviert
Überraschende Einsichten in die religiöse Landschaft Südosteuropas förderte bereits das erste Panel der Konferenz zutage: Aus den Beiträgen der Professoren Basilius Jacobus Groen (Universität Graz) und Jochen Töpfer (Freie Universität Berlin) ging hervor, dass sich die religiöse Situation in Südosteuropa nicht so stark von der im übrigen Europa unterscheidet wie vermutet. Die Verbreitung von Fundamentalismus und religiös verbrämtem Nationalismus sei "nicht schlimmer als in anderen Ländern". Die innere Pluralität der Religionsgemeinschaften - etwa zwischen strenggläubigen Orthodoxen und nur nominellen Christen - sei ebenso groß wie etwa im west- und mitteleuropäischen Katholizismus.
Eine Absage wurde auch der im öffentlichen Diskurs weit verbreiteten Ansicht erteilt, die Jugoslawien-Kriege seien in erster Linie "religiös" - vor allem durch die unterschiedliche Religionszugehörigkeit - motiviert gewesen. In diesem Zusammenhang wurde daran erinnert, dass die meisten südosteuropäischen Ländern jahrzehntelang von kommunistischen Regimen beherrscht wurden, die alle Religionsgemeinschaften einer scharfen Verfolgung aussetzten. Zwei bis drei Generationen hindurch war in diesen Ländern die Religion aus der Öffentlichkeit völlig verbannt, was dramatische Auswirkungen für das Niveau des religiösen Lebens hatte.
Prof. Groen benannte Faktoren, die positive Wirkung entfalten, um Offenheit und Versöhnungsbereitschaft als Grundvoraussetzungen für eine multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft zum Durchbruch zu verhelfen: Bessere Erziehung, Auslandserfahrungen der vielen Arbeitsmigranten, der Gebrauch des Internets, internationale Reisetätigkeit, EU-Mitgliedschaft, Auswirkungen der europäischen Gesetzgebung und der Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechts-Gerichtshofs.
Zweifellos bedeute die Ausbreitung von Individualismus und Pluralismus für die Religionsgemeinschaften Südosteuropas eine große Herausforderung. Auf diesem Hintergrund seien dann Äußerungen zu sehen, wonach "alles Schlechte aus dem Westen kommt" und in einem Aufwaschen der Ökumenismus als "Summe aller Häresien" begriffen wird, so Groen.
Wahabiten kontra "interreligiöser Koexistenz"
Im Gesamtbild des religiösen Panoramas Südosteuropas gebe es zweifellos auch Radikalisierungstendenzen, etwa im islamischen Bereich durch die wahabitische Agitation, räumte Groen ein. Trotzdem gebe es nach wie vor eindrucksvolle Beispiele "interreligiöser Koexistenz" wie etwa in gemischtreligiösen Dörfern im bulgarischen Rhodopengebirge, wo die Bewohner nach dem Ende des Kommunismus gemeinsam sowohl die verfallenen Kirchen als auch die ruinierten Moscheen restaurierten.
Am Beispiel Griechenlands zeigte der Grazer Ökumene-Experte die Konsequenzen der Migrationsbewegung für die religiöse Landschaft auf. So sei die Zahl der Katholiken in Griechenland durch die Zuwanderer von den Philippinen, aus Polen usw. drastisch auf mehr als 300.000 gestiegen, aber diese Kirche sei damit in der Wahrnehmung vieler Griechen eine "Kirche von Ausländern". Ähnliches gelte für die Muslime. Durch den Vertrag von Lausanne war nur in Westthrakien eine muslimische Minderheit belassen worden, in den letzten Jahrzehnten kamen aber hunderttausende Muslime aus dem Nahen Osten oder Ostafrika nach Griechenland. Die aktuelle griechische Regierung habe einige Konsequenzen gezogen, katholische und muslimische Einrichtungen, die zuvor als illegal galten, wurden legalisiert, die neue Große Moschee in Athen wird gebaut.
Jochen Töpfer wandte bei der Beschreibung des religiösen Panoramas Südosteuropas in Interviews mit katholischen, orthodoxen, muslimischen und protestantischen religiösen Führungspersönlichkeiten und mit einer atheistisch-agnostischen Kontrollgruppe soziologische Methoden an. Dabei stellte sich heraus, dass die verschiedenen Meinungstypen in allen Ländern und in allen Religionsgemeinschaften vertreten sind.
Quelle: kathpress