EuGH zu Mindestsicherung: Caritas fordert Umsetzung durch Land OÖ
Die Caritas hat das Land Oberösterreich aufgefordert, das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) über die gekürzte Mindestsicherung für befristet Asylberechtigte in Oberösterreich ernst zu nehmen und die Gesetze entsprechend zu adaptieren. Das Luxemburger Urteil bestätige bloß, "was eigentlich von Anfang an klar sein hätte müssen", wird der oberösterreichische Caritas-Direktor Franz Kehrer in einer Aussendung vom Mittwoch zitiert. Alle Menschen - auch Asylberechtigte - bräuchten die gleiche Unterstützung, um menschenwürdig leben zu können. Das jüngste Urteil des EuGH bestätige, "dass Menschenrechte und Menschenwürde zentrale Werte sind, die gerade das christliche Europa auszeichnen müssen".
2016 war in Oberösterreich die Regelung getroffen worden, dass Flüchtlinge, die zeitlich begrenzt Asyl zugesprochen bekommen, maximal 560 Euro monatlich 12-mal im Jahr Mindestsicherung erhalten. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hatte daraufhin beim EuGH gefragt, ob anerkannten Flüchtlingen weniger Sozialhilfe als eigenen Staatsangehörigen gewährt werden darf, wenn sie nur ein befristetes Aufenthaltsrecht haben.
Die Höchstrichter kamen daraufhin am Mittwoch zum Schluss, dass Flüchtlinge in der EU nicht weniger Sozialhilfe bekommen dürfen als eigene Staatsangehörige. Mitgliedstaaten dürfen laut dem Urteil auch keine Unterschiede zwischen Flüchtlingen mit befristetem und unbefristetem Aufenthaltsrecht machen. Die EU-Richtlinie über die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen, so das Gericht, sei nicht mit der österreichischen Regelung von 2015 zu vereinbaren, wonach Flüchtlinge mit befristetem Aufenthaltsrecht weniger Sozialhilfe erhalten.
Der Linzer Caritas-Direktor Kehrer berichtete, dass die oberösterreichische Regelung von 2016 drastische Folgen gezeigt habe:
Die Menschen kommen verzweifelt zu uns, weil von diesem Betrag der Lebensunterhalt nicht zu bestreiten ist. Wir können allerdings auch nur sehr begrenzt unterstützen - die Folge ist, dass sich viele in Schulden stürzen müssen.
Mit dem zugestandenen Betrag sei es "de facto nicht möglich", die Kosten für eine Wohnung, Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfes zu bestreiten. Dazu komme, dass Menschen in Oberösterreich seit einer Novelle des Wohnbaufördergesetzes fünf Jahre lang keinen Zugang zu günstigerem Wohnraum in geförderten Mietwohnungen haben und damit auf den teureren privaten Wohnungsmarkt angewiesen sind.
Schon immer sei die Mindestsicherung "nur eine Überbrückungshilfe" bis zum Finden einer Arbeit gewesen, betonte Kehrer. Auch Flüchtlinge bräuchten nach der Zuerkennung des Asyls Zeit, um einen Job zu finden, und somit auch Unterstützung, "um nicht obdachlos auf der Straße zu stehen", wie der Caritas-Direktor betonte. Es liege auf der Hand, dass sie dabei "genau die gleichen Lebenserhaltungskosten bestreiten müssen wie österreichische Staatsbürger".
Diakonie fordert gemeinsame Grundrechte
"Der Europäische Gerichtshof bestätigt im konkreten Anlassfall einmal mehr, dass soziale Grundrechte für alle gleich gelten", kommentierte auch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser das Urteil, mit dem der EuGH die Schlechterstellung von Flüchtlingen, denen Asyl auf Zeit gewährt wurde, bei der Mindestsicherung in Oberösterreich gekippt hat.
Jeder Mensch brauche Existenzsicherung, "damit er nicht abstürzt, und eine stützende Hand, um wieder auf die Füße zu kommen". Die Mindestsicherung habe die Funktion, "das Mindeste, das man zum Leben in Oberösterreich braucht, zu sichern", so Moser am Mittwoch in einer Aussendung. Alle Menschen hätten "den menschenrechtlichen Anspruch darauf, dass diese Grundbedürfnisse gestillt werden - unabhängig von ihrer Herkunft und der Dauer oder Form ihres Aufenthaltsstatus in Österreich".
Dieser Grundsatz sei in verschiedenen Rechtsmaterien verankert, in der Menschenrechtskonvention, der Genfer Flüchtlingskonvention, in der Verfassung und auch im europäischen Recht, so die Diakonie-Direktorin. Die Entscheidung des EuGH sei daher zu erwarten gewesen.
"Wir erwarten auch, dass dieses Urteil in den Reformplänen zur Mindestsicherung, an denen die Bundesregierung aktuell arbeitet, entsprechende berücksichtigt wird", fügte Moser hinzu. Dies gelte auch für jenes Urteil vom März, mit dem der österreichische Verfassungsgerichtshof die Deckelung sowie eine Wartefrist bei der Mindestsicherung in Niederösterreich gekippt habe.
Die Regelungen in Oberösterreich und Niederösterreich seien kein Vorbild für eine zukünftige Mindestsicherungsreform. Dass sie nicht gehalten haben, sei vielmehr Mahnung, das letzte soziale Netz im Sozialstaat gundrechtsorientiert, chancen- und existenzsichernd zu gestalten, so die Direktorin. Die Diakonie appelliere, Verfassung und Menschenrechte als gemeinsame Werte zu achten und gerade bei Minderheiten und Armutsbetroffenen nicht "zu schauen, was geht", und sehenden Auges europarechtlich und auch verfassungsrechtlich bedenkliche Gesetze zu beschließen.
Quelle: kathpress