Papst überreicht Wiener Theologin Schlosser den Ratzinger-Preis
Papst Franziskus hat den Beitrag von Frauen für die wissenschaftliche Theologie gewürdigt. "Seit Paul VI. Teresa von Avila und Katharina von Siena zu Kirchenlehrerinnen ernannte, darf kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Frauen die höchsten Stufen der Glaubensweisheit erreichen können", sagte Franziskus am Samstag bei der Verleihung der diesjährigen Ratzinger-Preise im Vatikan. Dabei wurde zum zweiten Mal eine Frau ausgezeichnet: die an der Universität Wien lehrende Theologin Marianne Schlosser. Zweiter Preisträger, für den Bereich christlich inspirierter Kunst, ist der Schweizer Architekt Mario Botta. Beide Preise sind mit jeweils 50.000 Euro dotiert.
Lange Zeit sei wissenschaftliche Theologie dem Klerus vorbehalten gewesen, bedauerte der Papst. Das ändere sich nun. Es sei wichtig, die theologische Arbeit von Frauen immer mehr anzuerkennen. Überhaupt sei es notwendig, der Beitrag "der zunehmend weiblichen Präsenz in Verantwortungspositionen der Kirche - besonders, aber nicht nur im kulturellen Bereich - gefördert und ausgebaut wird".
Mit Bezug auf den zweiten Preisträger Botta würdigte der Papst die Arbeit von Architekten, die in Städten "Menschen einen sakralen Raum" schaffen. "Das ist von höchstem Wert und muss von der Kirche anerkannt und gefördert werden", forderte der Papst, "ganz besonders dann, wenn man Gefahr läuft, die geistliche Dimension zu vergessen und die städtischen Räume zu entmenschlichen".
In seiner Ansprache nannte Franziskus seinen Vorgänger Benedikt XVI. jemanden, der "sich den Problemen unserer Zeit in einem Geist des mutigen Bewusstseins" stellt. Für "einen konstruktiven Dialog mit der Kultur von heute" sei eine Weisheit notwendig, sie sowohl auf die Bibel hört wie aus "der lebendigen Tradition der Kirche" schöpft. In diesem Sinn gelte es, Ratzingers Schriften weiter zu studieren. Gleichzeitig sollten die Theologen "die neuen Themen vertiefen, die ich für sehr aktuell halte", so Franziskus. Das gelte etwa für die Sorge um die Schöpfung und die Verteidigung der Menschenwürde.
Marianne Schlosser ist nach der Französin Anne-Marie Pelletier die zweite Frau, die mit dem seit 2011 vergebenen Ratzinger-Preis ausgezeichnet wird. Sie erhielt ihn vor allem als Kennerin der frühkirchlichen und mittelalterlichen Theologie. Die 58-jährige, aus Bayern stammende Theologin leitet seit 2004 das Institut für Theologie der Spiritualität an der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät.
Kurienkardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des Päpstlichen Kulturrats und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Ratzinger-Stiftung, hatte bei der Bekanntgabe der Auszeichnung auf Schlossers Forschungen zu Bonaventura (1221-1274) verwiesen, über den Joseph Ratzinger 1959 seine Habilitationsschrift vorlegte. Die Theologin besorgte u.a. auch die Herausgabe des entsprechenden Bands der Gesammelten Schriften Ratzingers.
2014 wurde Schlosser von Papst Franziskus zum Mitglied der Internationalen Theologischen Kommission ernannt. Die Theologin gehört auch der 2016 vom Papst einberufenen Kommission zur Geschichte des Frauendiakonats an. Schlosser ist Mitglied der Theologischen Kommission der Österreichischen Bischofskonferenz und Beraterin der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz.
Der Schweizer Architekt Mario Botta (75) wurde für die theologische Dimension seiner Ästhetik ausgezeichnet. Botta hat rund 20 Sakralbauten entworfen, darunter die Cymbalista-Synagoge in Tel Aviv und eine Moschee in China. Zu den bekanntesten sakralen Bauten Bottas gehört die Kirche "Johannes der Täufer" in Mogno im Tessin.
Quelle: kathpress