"Österreich darf Sozialstaat nicht aufs Spiel setzen"
Österreich setzt mit den aktuellen Einschnitten bei Mindestsicherung und Notstandshilfe seine "Erfolgsgeschichte" aufs Spiel und auch das "Erbe der Generationen vor uns, die das Land aufgebaut und zu einem Sozialstaat, der sich um seine Bürger kümmert, gemacht haben": Davor haben drei Caritas-Präsidenten - Michael Landau gemeinsam mit seinem Vorgängern Franz Küberl und Helmut Schüller - am Freitag in einer Wiener Pressekonferenz gewarnt. Die soziale Sicherheit sei in Gefahr, befanden der aktuelle und die ehemaligen Leiter der größten kirchlichen Hilfsorganisation anlässlich des am Sonntag stattfindenden "Welttags der Armen". Ihre Forderung an die Regierung: Ein klares Bekenntnis zur Senkung von Kinder- und Altersarmut sowie "Menschlichkeit".
Knapp 430.000 Menschen gelten in Österreich als manifest arm, erinnerte Landau in den Räumlichkeiten der Pfarre "Christkönig Neufünfhaus" im 15. Wiener Gemeindebezirk, in der es eine Lebensmittelausgabestelle für armutsbetroffene Menschen gibt. Armutsbetroffene können dort Lebensmittel und Sozialberatung beziehen. Mit dieser Maßnahme unterstütze das Caritas-Projekt "Le+O - Lebensmittel und Orientierung" allein im Jahr 2017 über 4.600 Haushalte mit rund 15.500 Personen.
Angesichts dieser Zahlen dürfe die Politik nicht auf die "Not der Menschen" vergessen, so Landau, der auf die geplanten Änderungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und der Notstandshilfe verwies. Sorgen bereite ihm auch die "Art und Weise", wie in Österreich über armutsbetroffene Menschen gesprochen werde: "Wir kommen mit Neiddebatten nicht weiter", so der Caritas-Präsident, und in Richtung Sozialministerin Beate Hartinger-Klein: "Sparen Sie nicht bei den Ärmsten!" sowie "reformieren: ja, diffamieren: nein!"
"Es reicht nicht, Fluchtrouten zu schließen", sagte Küberl vor den Journalisten. Die Welt sei klein geworden, weshalb die Bundesregierung mehr Willen zur internationalen Kooperation und vor allem mehr Engagement in Richtung Afrika zeigen müsse. Nötig sei "eine Art Marshall-Plan", um Hunger und Armut zu verringern. Von dem für den 18. Dezember geplanten EU-Afrika-Gipfel in Wien erwartet sich Küberl "faire Chancen für afrikanische Partner und mehr direkte Hilfe vor Ort". Für Österreich könne der Gipfel dann zu einem "Glanzlicht" seines EU-Vorsitzes werden.
Das Motto "Menschlichkeit zuerst" sei auch angesichts des zweiten kirchlichen "Welttags der Armen" wieder aktuell, betonte Helmut Schüller. Laut dem Caritas-Präsidenten von 1991 bis 1995 sei es "eine Höchstleistung, dass wir Menschen miteinander leben können". Gerade deshalb sollte Österreich den Sozialstaat nicht nur als "Kostenfaktor, den man kürzen kann", betrachten, sondern als Bedingung für eine "zukunftsfähige Gesellschaft". Papst Franziskus, der den Welttag der Armen ausgerufen hatte, erinnere daran, dass "jeder gleich viel gilt", egal ob in Österreich oder weltweit, so Schüller.
Der kirchliche "Welttag der Armen" wurde von Papst Franziskus im Jahr 2016 ins Leben gerufen und 2017 erstmals begangen. Er findet jeweils am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres, der in Österreich als "Elisabethsonntag" gefeiert wird, statt und fällt heuer auf den 18. November.
Papst Franziskus selber wird am 18. November mit Flüchtlingen, Obdachlosen, Sozialhilfeempfängern und Alten im Petersdom eine Messe feiern. Anschließend isst er in der vatikanischen Audienzhalle mit rund 3.000 Armen zu Mittag. In Rom soll zudem vor dem Petersplatz vom 12. bis 18. November ein Zeltdorf mit Gesundheitsdiensten aufgebaut werden, in dem medizinische Experten Bedürftigen ihre Dienste anbieten.
Quelle: kathpress