"Fachtagung Weltkirche" beginnt mit Kritik an "Agrobusiness"
Mit einer scharfen Kritik an der "Intensiv-Landwirtschaft" in Ländern des globalen Südens hat am Freitag die "Fachtagung Weltkirche" in Lambach begonnen, die noch bis Samstag das Thema Ernährung in den Blick nimmt. Dass dieses weltweit dominierende Modell von Ackerbau in ein "soziales und ökologisches Desaster" führt, machte Entwicklungshelfer Martin Mayr am Freitag am Beispiel der West-Bahia-Region in Nordostbrasilien deutlich. Der aus Oberösterreich stammende Leiter der Entwicklungs-Organisation "10envolvimento" der Diözese Barreiras kämpft dort seit 1991 für die Rechte der Kleinbauern und den Erhalt natürlicher Ressourcen, die zunehmend von einem aggressiven "Agrobusiness" bedroht würden.
Die von den Ordensgemeinschaften, der Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO) und der Missionsverkehrsarbeitsgemeinschaft MIVA getragene Veranstaltung mit dem Titel "Ernährungsgerechtigkeit - Auf dem Weg zur globalen Tischgemeinschaft" beleuchtet heuer die heutigen globalen Herausforderungen zu Nahrungsmittelproduktion und Ernährung, vor allem aus Perspektive der Ortskirche in Afrika und Lateinamerika. Referent ist heuer neben Entwicklungshelfer Mayr der deutsche Theologe Markus Büker, der am Samstag zum Thema "Jeder Mensch hat ein Recht auf gutes Essen" spricht. Den Festgottesdienst am Sonntag im "Christophorus-Haus" der MIVA in Stadl-Paura leitet Militärbischof Werner Freistetter.
In der brasilianischen West-Bahia-Region drehe sich der Konflikt, wie auch in anderen vergleichbaren Gebieten der Welt, vor allem um den Besitz von Land und die Wasserversorgung, erläuterte Mayr. War die Region bis in die 1970er Jahre in erster Linie von extensiver Viehzucht und primitivem Ackerbau geprägt, brachte eine brasilianisch-japanische Forschungs-Kooperation die intensive landwirtschaftliche Nutzung des Naturraums in die Gegend. Seither eigneten sich Großinvestoren unterstützt von der Regierung, korrupten Richtern und "gefügigen Gehilfen" immer mehr Land an. Das Land titelloser Kleinbauern werde so von Großgrundbesitzern geschluckt, indigene Gebiete überrannt, intakte Naturräume zerstört und der Zugang zu öffentlichem Land und Wasser privatisiert, kritisierte der Entwicklungshelfer:
Nutznießer der unrechtmäßigen Privatisierung von Gemeinland ist in erster Linie das große Agrobusiness, die großen Verlierer sind die Natur und jene eingesessene Landbevölkerung, die seit Generationen in der Gegend lebt und dessen natürliche Ressourcen nutzt.
Organisation 2004 von Weberberger gegründet
Für die betroffenen Kleinbauern setzt sich die 2004 von Dom Ricardo Weberberger gegründete Entwicklungsorganisation "10envolvimento" ein. Die Ausbreitung des rücksichtslosen Agrar-Modells gehe dort Hand in Hand mit Abholzungen, Absenkung des Grundwasser-Spiegels, Austrocknung von Wasserläufen, Zerstörung der Artenvielfalt, Versalzung der Böden, Klimaveränderung, Vertreibung eingesessener Bevölkerungsgruppen, Missachtung indigener Territorien oder der Abwanderung von Kleinbauern, wies Mayr hin.
Ziel seiner Organisation sei es auch, den Konflikt bekannt zu machen. Derzeit liefen zwei Gerichtsverfahren, und die Chancen, dass die Rechte der eingesessenen Kleinbauern-Familien gerichtlich definitiv bestätigt werden, stünden gut, so der Entwicklungshelfer. Einschüchterungen wie Gewaltandrohung, Einvernahmen bei der Polizei, vorübergehende Verhaftungen oder Hausdurchsuchungen seien allerdings häufig. Die Öffentlichkeit sei aber inzwischen hellhörig und "die kleinen Leute" solidarisierten sich mit den Kleinbauern.
Argumente des Agrobusiness entzaubern
Den Rechtfertigungsversuch der Vertreter der "Intensiv-Landwirtschaft", es brauche diese Form des Bewirtschaftens, um die Ernährung der ansteigenden Weltbevölkerung gewährleisten zu können, ließ Mayr nicht gelten. Ernährungssicherheit dürfe in erster Linie keine Geschäftssache sein, sie beruhe vielmehr auf dem Menschenrecht, ausreichend und gesund zu essen bzw. die je eigenen Lebensräume respektiert zu wissen. Das Wesen des Agrobusiness liege aber im Profit, es gehe ums Geschäft und nicht um Rechte. "Die Logik ist die Gewinn-Maximierung. Ernährungssicherheit ist allenfalls ein günstiger Neben-Effekt", so der Entwicklungshelfer.
Die Entwicklungs-Organisation versucht deshalb, die mit großen Geld-Summen betriebene Image-Pflege der Großgrundbesitzer zu entzaubern. So diene etwa ein großer Teil der Produktion der Herstellung von Treibstoffen und Strom und nicht von Lebensmitteln. Der Anspruch des Agrobusiness, die Welt zu ernähren, gehe auch mit einer "schleichenden Vergiftung" der Menschen einher, so Mayr: Großflächige Agrarproduktion funktioniere nur mit Hilfe von Pestiziden.
Darüber hinaus gebe es bereits genügend Lebensmittel, es mangle an gerechter Verteilung: Laut FAO werden jährlich etwa 1,3 Milliarden Tonnen an Lebensmitteln - 35 Prozent der Gesamtproduktion - verschwendet, beklagte Mayr. Eine steigende Nahrungsmittelproduktion bedeute demnach nicht, dass sie jenen zu Gute komme, die mehr Nahrung brauchen. Die wichtigsten Beiträge zur Ernährungssicherung seien letztlich Armutsbekämpfung und Friedenssicherung.
Quelle: kathpress